Sterbehilfe
Dem Zürcher Regierungsrat ist Sterbehilfe-Initiative «zu extrem»

Der Zürcher Regierungsrat lehnt die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» ab. Sie geht ihm zu weit. Deshalb präsentiert er nun einen Gegenvorschlag.
Publiziert: 10:24 Uhr
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Aktualisiert: vor 17 Minuten
Foto: Sebastian Kahnert
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Im Titel der Initiative würden zwar nur Alters- und Pflegeheime genannt, der Initiativtext gehe aber deutlich weiter, führt die Zürcher Regierung in einer Medienmitteilung vom Freitag aus. Zu weit, findet sie. Und lehnt die Initiative, die unter anderem von den Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas unterstützt wird, ab.

Die Initiative sei zu extrem und widerspreche dem Auftrag der Spitäler, den Patientinnen und Patienten in einem geschützten Umfeld die optimale medizinische und pflegerische Versorgung zu bieten, wird die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) in der Medienmitteilung zitiert.

Spitäler dienten im Unterschied zu Alters- und Pflegeheimen der Gesundheitserhaltung und -wiederherstellung und behandelten nicht primär Personen am Lebensende, heisst es weiter.

Die Initiative aber wolle es den Menschen ermöglichen, dort zu sterben, wo sie ihre letzte Lebensphase verbracht, sich umsorgt und zu Hause gefühlt haben, schreibt die Regierung. Letzteres treffe auf Spitäler und ambulante Einrichtungen grundsätzlich nicht oder nicht in gleicher Weise zu wie auf Heime.

Die Regierung befürchtet auch, dass die Ermöglichung der Sterbehilfe in Spitälern im Widerspruch zur Palliative Care stehen könnte. Und: Ältere Patienten könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen, um Angehörige oder das Gesundheitssystem nicht zu belasten, schreibt die Regierung.

Noch grössere Risiken sieht der Regierungsrat aber bei Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrichtungen, die tendenziell suizidgefährdeter seien und deren Urteilsfähigkeit auch stets situativ beurteilt werden müsse. Und Justizvollzugseinrichtungen seien erst recht keine Institutionen, in denen sich mehrheitlich Personen am Lebensende aufhielten. Der Staat habe eine besondere Schutzpflicht gegenüber Inhaftierten, hält die Regierung fest.

Grundsätzlich aber befürwortet der Regierungsrat die Sterbehilfe in allen Alters- und Pflegeheimen, wie er in der Medienmitteilung schreibt. Deshalb präsentiert er einen entsprechenden Gegenvorschlag.

Mit diesem stellt die Regierung einen Kantonsratsentscheid vom Oktober 2022 zur Diskussion. Damals hatte das Parlament äusserst knapp entschieden, dass nicht alle Heime im Kanton Sterbehilfe in ihren Räumlichkeiten erlauben müssen, sondern nur jene Heime mit einem Leistungsauftrag einer Gemeinde. Der Antrag dazu kam von Josef Widler (Mitte), der damit Rücksicht auf gläubige Heimleitungen nehmen wollte, weil diese Sterbehilfe häufig ablehnen.

Nun aber will die Regierung die Duldungspflicht auf private Heime ausdehnen, wie es in der Medienmitteilung weiter heisst. Das heisst, alle Heime sollen künftig Sterbehilfe dulden müssen.

Die Regierung ist der Ansicht, dass die Pflicht, Sterbeorganisationen Zugang zu gewähren, die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Heime nicht unverhältnismässig einschränkt. Denn diese müssten nicht aktiv am assistierten Suizid mitwirken, sondern lediglich externen Organisationen den Zutritt ermöglichen.

Das Initiativkomitee «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» hatte die Initiative Mitte 2023 lanciert. Es betonte, es wolle den «per Zufallsmehr» getroffenen Entscheid des Kantonsrats korrigieren.

Die Initiative wolle sicherstellen, dass Menschen, die selbstbestimmt sterben wollen, ihr Zuhause dazu nicht mehr verlassen müssen, so das Komitee, dem neben Politikerinnen und Politikern auch Prominente wie Viktor Giacobbo sowie der Publizist und Kolumnist Karl Lüönd aus Winterthur angehören.

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