Messerstecher Carlos (19) ist frei. Anfang Woche noch wies das Bundesgericht auf die hohe Rückfallgefahr des Intensivtäters hin. Zwei Tage später ordnete das Obergericht Zürich völlig überraschend seine sofortige Freilassung an. Auslöser war ein positiver Führungsbericht aus dem Gefängnis Limmattal.
BLICK fragte gestern: Hat sich Carlos aus dem Knast gekuschelt? Tatsache ist: Er wird gut beraten. Er hat einen neuen Pflichtverteidiger, den Zürcher Marcel Bosonnet (65). Eine schillernde Figur. Aktivist der 68er-Bewegung, 2011 Nationalratskandidat für die Partei der Arbeit. Seine Plädoyers klingen nach Klassenkampf. Das Stundenhonorar eines amtlichen Verteidigers beträgt im Kanton Zürich 220 Franken.
Das ist eher bescheiden. Bosonnet verteidigte schon einmal einen Carlos, als einer der drei Anwälte des Top-Terroristen Ilich Ramírez Sánchez (65). Der Venezolaner, genannt Carlos, der Schakal, galt in den 1970er- und 1980er-Jahren als meistgesuchter Terrorist der Welt. In Frankreich starben bei vier seiner Anschläge elf Menschen, 150 wurden verletzt. Der Schakal arbeitete für verschiedene Auftraggeber, meist für die Sache der Palästinenser.
Seit vergangenem Sommer gehört zu den Klienten von Marcel Bosonnet auch der US-Whistleblower und Ex-CIA-Agent Edward Snowden (31). Dieser will nicht von Russland an die USA ausgeliefert werden. Bosonnet bereitet eine Anhörung in der Schweiz vor. Auch die Zürcher Linksautonome Andrea Stauffacher (65) und ein Öko-Anarchist, der mit zwei Kollegen einen Anschlag auf ein IBM-Gebäude in Rüschlikon ZH plante, wurden von Bosonnet vertreten.
Der legte sich auch mit dem Schweizer Weltkonzern Nestlé an – wegen der Ermordung eines kolumbianischen Gewerkschafters im Jahr 2005. Und er vertrat einen kurdischen Flüchtling, der Kader der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans gewesen sein soll. Weiter stehen auf der Klientenliste der einstige Schweiz-Chef der srilankischen Tamil Tigers – und der Ex-UBS-Wachmann Christoph Meili (47), der Akten über jüdische Vermögen aus dem Zweiten Weltkrieg vor dem Schredder rettete.
Für Messerstecher Carlos hatte sich Bosonnet schon einmal starkgemacht: 2013 unterzeichnete er mit 46 weiteren Personen eine Stellungnahme zum Fall Carlos. Darin kritisiert er den Abbruch des monatlich knapp 30 000 Franken teuren Sondersettings. Wann Carlos vor Gericht kommt, ist offen. Der Staatsanwalt fordert wegen einer angeblichen Drohung mit einem Messer im Zürcher Langstrassenquartier elf Monate Gefängnis. Bosonnet wollte sich gestern nicht zu seinem Mandat äussern.
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