Mit ihren 55'000 Einwohnern ist Biel die letzte Schweizer Stadt dieser Grösse ohne Autobahnumfahrung. Die zweisprachige Stadt zauderte in Sachen Autobahn lange Zeit. Es fehlte am politischen Willen und an der Einigkeit, ein Projekt voranzutreiben.
In den letzten Jahren kam das Autobahnprojekt aber in Fahrt, und am 27. Oktober wird der A5-Ostast eingeweiht. Bis der Westast so weit ist, braucht es hingegen Geduld. Dieser Ast, der eine der letzten Lücken des Schweizer Nationalstrassennetzes schliessen soll, dürfte nicht vor dem Jahr 2035 eröffnet werden.
Die Kosten werden auf 2,2 Milliarden Franken veranschlagt. Fast ausschliesslich unterirdisch verlaufend, soll dieses neue Autobahnteilstück Bieler und Nidauer Wohnquartiere vom Agglomerationsverkehr entlasten, der 80 Prozent des motorisierten Individualverkehrs in Biel ausmacht.
Zum A5-Westast-Projekt gehören zwei offen geplante Anschlüsse: «Bienne Centre» beim Bieler Bahnhof und «Seevorstadt». Diese beiden Anschlüsse und das Trassee in ihrer Umgebung sind umstritten. Den Aufstand dagegen verkörpert die Bürgerbewegung «Westast so nicht!»
Der 2015 gegründete Verein mit fast 2000 Mitgliedern will den A5-Westast so, wie er heute geplant ist, verhindern. Die Bewegung findet das Projekt überdimensioniert, vor allem die beiden Anschlüsse, welche Biels Stadtzentrum verunstalteten. Der Verein findet auch, dass der Westast Staus nicht verhindern wird.
«Die Bewegung konzentriert sich auf die Einschnitte ins Stadtbild und betrachtet das Projekt nicht in seiner Gesamtheit», sagt der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr. Wenn Biels Autobahnumfahrung einmal gebaut sei, werde die ganze Stadt und auch die Agglomeration Biel davon profitieren.
Für den Sozialdemokraten braucht es sowohl einen Ost- wie einen Westast. «Es darf kein Glied in der Kette fehlen.»
Seit einigen Monaten steigert die Bewegung «Westast so nicht!» ihre Präsenz mit verschiedenen Aktionen. So folgten am 20. Mai beispielsweise rund 1200 Personen einem Aufruf zu einer Velo-Protestkundgebung.
Ende Juni brachten Aktivisten Plakate auf den 745 Bäumen an, welche gemäss der Bewegung dem Bau des A5-Westasts weichen müssen. «Unersetzlich», stand auf den Plakaten.
Der Vorstand des Vereins lädt auch regelmässig zu «Stadtwanderungen» ein. Während dieser 90-minütigen Veranstaltungen zeigen die Vorstandsmitglieder etwa mit Visualisierungen, welche Auswirkungen der Autobahnbau auf die Stadt Biel hätte.
Zuletzt hat die Bewegung auch eine Petition zuhanden der Bundesbehörden lanciert. Sie hat den sofortigen Stopp des Projekts und die Erarbeitung einer Alternative zum Ziel. Mehr als 5500 Personen haben unterschrieben.
«Mit unserem Druck hoffen wir, die Bieler Behörden zum Rückzug ihrer Unterstützung für den Westast bewegen zu können», sagt Sabine Brenner, Leitungsmitglied von «Westast so nicht!» Die Bewegung ist überzeugt: Gegen den Willen der Stadt Biel würde der Bundesrat das Projekt nicht durchdrücken.
Die Bewegung will in einigen Monaten ihren eigenen Vorschlag präsentieren - ein abgespecktes Projekt, das wirkliche Lösungen für die Verbesserung des Agglomerationsverkehrs bringt, wie Brenner sagt.
Der Bieler Gemeinderat sei dafür offen, sagt Stadtpräsident Fehr. Das Alternativprojekt müsse aber wirklich die Wohnquartiere entlasten. Alle bisherigen Studien hätten gezeigt, dass die aktuell vorgesehene Linienführung die beste sei.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Szenario der Bürgerbewegung eintritt. In der Antwort auf eine Interpellation der Berner Nationalrätin Evi Allemann hat der Bundesrat klar gemacht, dass er nicht willens ist, die Erarbeitung von Alternativvorschlägen finanziell zu unterstützen.
«Was noch nicht gebaut ist, kann noch geändert werden», sagt hingegen Simon Binggeli von «Westast so nicht!» Auch das AKW Kaiseraugst sei nicht gebaut worden, nachdem Aktivisten das Gelände besetzt hätten.