Staatsanwältin Marion Wyss jagt Internet-Betrüger
So funktioniert die Geldesel-Masche

Im Internet machen Kriminelle Jagd auf gutgläubige Schweizer Jobsuchende. Und machen sie zu Komplizen wider Willen. Staatsanwältin Marion Wyss erklärt die «Money Mule»-Masche.
Publiziert: 19.09.2022 um 18:18 Uhr
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Warnt vor der «Money Mule»-Masche: Marion Wyss, Co-Leiterin der Abteilung für Wirtschaftskriminalität der Zürcher Staatsanwaltschaft.
Foto: zVg
Michael Sahli

Jedes Jahr machen Dutzende Schweizerinnen und Schweizer Karriere bei kriminellen Organisationen – ohne davon zu wissen! «Money Mule», also «Geldesel» heisst die fiese Masche. In die Falle tappte auch Landwirtin Karin P.* (45) aus dem Kanton Aargau. Sie wurde zum Glück noch rechtzeitig stutzig. «Um ein Haar wäre ich Geldwäscherin geworden», sagt sie zu Blick.

Weil sie die Haushaltskasse aufbessern wollte, hatte sie im Internet nach Nebenjobs gesucht – sie stösst auf ein Inserat, das perfekt zu passen scheint. Eine in der Westschweiz ansässige Immobilienfirma will in die Deutschschweiz expandieren. Und sucht darum eine «Assistentin des Regionalvertreters». Die Konditionen: sechs Stunden pro Woche, flexibel einteilbar, für 2400 Franken Monatslohn.

Karin P. fällt nicht auf die Masche rein, die immer nach demselben Schema läuft: Im Internet schalten die Kriminellen Jobinserate, geben an, zum Beispiel einen Schweizer Vertreter eines internationalen Unternehmens zu suchen. Das Salär ist hoch, die benötigten Qualifikationen tief, alles läuft online. Ein vermeintlich perfekter Nebenverdienst für Senioren, Hausfrauen oder Studenten.

Finger weg, wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein

Im Kanton Zürich landen solche Fälle auf dem Tisch von Marion Wyss. Sie ist Co-Leiterin der Abteilung für Wirtschaftskriminalität der Zürcher Staatsanwaltschaft. Und weiss aus Erfahrung: «Ein Online-Job- oder Kreditangebot, das zu schön ist, um wahr zu sein, ist immer ein Warnzeichen.»

So ist es auch bei «Money Mule». Der vermeintliche Nebenjob besteht darin, Geld entgegenzunehmen und ins Ausland zu transferieren, wie sich schnell herausstellt.

Das Problem: Das Geld stammt aus Betrugsfällen, wie Staatsanwältin Wyss erklärt. «Am Ursprung steht oft ein Online-Anlagebetrug oder auch ein Betrug auf einer Online-Verkaufsplattform einer professionellen und strukturiert organisierten Täterschaft im Ausland», sagt sie. Konkret: Täter, die zum Beispiel ein Bankkonto gehackt haben. Sie suchen für das gestohlene Geld eine unverdächtige Zwischenstation – und finden sie bei einem Schweizer Money Mule.

Der verschiebt das Geld dann pflichtbewusst weiter. «Oft fliesst es nach Benin, Nigeria, Russland, in die Türkei oder an eine ausländische Kryptobörse», so die Staatsanwältin.

Die Masche ist seit Jahren ein Problem

Wer das Geld verschiebt, macht sich zum Handlanger eines Geldwäscherrings und überquert schnell die Grenze zur Illegalität. Seit 2018 werden allein in Wyss' Abteilung konstant 40 bis 50 solcher Fälle pro Jahr bearbeitet. Rund 20 enden für die Money Mules mit einem Strafbefehl, einige landen vor Gericht. Wer auf einen Freispruch hoffen will, muss glaubhaft machen können, von den kriminellen Hintergründen nicht den Hauch einer Ahnung gehabt zu haben.

Ein Ende der Geldesel-Karawane ist nicht in Sicht. Staatsanwältin Wyss sagt: «Wir stellen fest, dass sich das Phänomen der Money Mules trotz Berichterstattung und wiederkehrender, europaweiter Präventionsbemühungen der Strafverfolger nicht zurückdrängen lässt.» Die Arbeit dürfte ihr nicht so schnell ausgehen.

* Name der Redaktion bekannt

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