Die Bundesanwaltschaft habe ihre Ermittlungen wegen des Verdachts auf Wirtschaftsspionage ohne Beteiligung des Nachrichtendienstes (NDB) aufgenommen, teilte die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) am Mittwoch mit. Zu diesem vorläufigen Schluss kommt sie nach einer ersten Aktendurchsicht im Zusammenhang mit dem Spionagefall in Deutschland.
Die BA ermittelt seit einigen Jahren gegen mehrere nordrhein-westfälische Steuerfahnder wegen des Vorwurfs der nachrichtendienstlichen Wirtschaftsspionage und der Verletzung des Bankgeheimnisses. Auslöser war der Kauf von Bankkundendaten aus der Schweiz durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2009 und 2010, auf dem Höhepunkt des Steuerstreits zwischen der Schweiz und Deutschland.
Ende April 2017 wurde in Frankfurt ein 54-jähriger Schweizer unter dem Verdacht der Spionage verhaftet. Die deutschen Behörden werfen ihm vor, während über fünf Jahren - also seit 2012 - für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. Er soll unter anderem versucht haben, einen Maulwurf in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen zu platzieren.
In diesem Zusammenhang wurde der Schweizer Bundesanwaltschaft vorgeworfen, in ihrem Untersuchungsverfahren gegen die deutschen Steuerfahnder Informationen verwendet zu haben, die der mutmassliche Schweizer Spion für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gesammelt hatte.
Die AB-BA kommt nun zum Schluss, dass dieser Vorwurf unbegründet ist. Die Schweizer Bundesanwaltschaft habe ihr erstes Rechtshilfeersuchen an die Generalstaatsanwaltschaft Nordrhein-Westfalen bereits im Dezember 2010 gestellt, hält das Aufsichtsorgan fest. Das Gesuch habe bereits die Namen und weitere Angaben zu den Verdächtigten beinhaltet.
Die BA habe erst 2015 Kenntnis davon erhalten, dass der in Frankfurt verhaftete Mann für den Nachrichtendienst des Bundes tätig gewesen sein könnte.
Gegen den Mann läuft nämlich seit Januar 2015 auch in der Schweiz ein Strafverfahren wegen des «Verdachts des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes». Er soll Kundendaten von Schweizer Banken gestohlen haben, die später durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen aufgekauft wurden. Im Februar 2015 wurde er deswegen in der Schweiz verhaftet.
Bei einem Verhör in Bern erfuhr die Bundesanwaltschaft von seinen Aktivitäten für den Geheimdienst.
Die Bundesanwaltschaft weitete das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt auf einen weiteren Angeschuldigten aus Bochum aus. Ihm beziehungsweise seinem Verteidiger gewährte die Schweizer Behörde Einblick in die Akten und damit auch in die Protokolle über die Aktivitäten des Geheimdienstes, wie die BA Medienberichte bestätigte.
So sollen die Unterlagen am Ende beim deutschen Generalbundesanwalt gelandet sein, der den beschuldigten Spion daraufhin festnehmen liess.
Der Schweizer Anwalt des mutmasslichen Spions, Valentin Landmann, kritisierte das Vorgehen der Bundesanwaltschaft in der «Tagesschau». Die BA hätte die Akten einschwärzen sollen, befand er. Dies sei zulässig, wenn überwiegende private oder öffentliche Interessen es verlangten.
Die BA stellte sich jedoch auf den Standpunkt, die Voraussetzungen zur Einschränkung der Akteneinsicht seien im vorliegenden Verfahren nicht gegeben gewesen. Die AB-BA schreibt nun dazu, der Inhaftierte habe von sich aus über die Kontakte zum Nachrichtendienst gesprochen. Über die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall hätten zudem die zuständigen Gerichte zu entscheiden.
Die AB-BA will nun alle Unterlagen der BA, die im Zusammenhang mit dem Spionagefall stehen, analysieren und das Ergebnis ihrer Abklärungen zum gegebenen Zeitpunkt kommunizieren.
Das Verhalten der Schweizer Behörden in diesem Fall abschliessend zu beurteilen wird jedoch erst nach Abklärungen bei der Bundeskriminalpolizei (BKP) und dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) möglich sein. Dafür sind andere Instanzen zuständig.