Spionageaffäre Daniel M.
Freiheit gewonnen, Leben zerstört

Rasche Karriere, Toplohn, Haus, Familie: Daniel M. fehlte es an nichts. Dann liess er sich mit dem Geheimdienst ein, sass im Knast und steht nun vor dem Aus.
Publiziert: 29.10.2017 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:45 Uhr
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Der Bart ist ab: Daniel M. am Donnerstag vor dem Gericht in Frankfurt a. M.
Foto: Getty Images
Tobias Marti

Sein Niedergang begann mit ­einem Kompliment: «Die Schweiz braucht Sie», sagte der Geheimdienstler zu Daniel M.* Welcher Patriot wäre da nicht geschmeichelt? Der Ort des Treffens hätte schweizerischer nicht sein können: die Conditorei Schober im Zürcher Niederdörfli, jahrhundertealt, überall Schokolade und Pralinen. M.s Patriotismus ist geweckt. Es winken Abenteuer und leicht verdientes Geld.

M. wurde zum freiberuflichen Spion in Schweizer Diensten. Doch er liess sich erwischen. Diese Woche legte er ein Geständnis ab: Er hat deutsche Steuerfahnder ausspioniert und beim Versuch mitgeholfen, einen Maulwurf in deren Finanzamt einzuschleusen. M. sitzt seit einem halben Jahr in U-Haft, bald kommt er frei.Seine bisherige Existenz ist vernichtet.

M. machte eine KV-Lehre

M.s Biografie passt zu einem helvetischen 007. Statt wie James Bond ein britisches Eliteinternat zu besuchen, machte M. eine KV-Lehre. Danach ging er in die RS, wurde Polizist und landete – Krönung der Karriere – bei einer Bank, der UBS. Sein Fachgebiet: Interner Ermittlungsdienst und Konzernsicherheit. Nach zehn Jahren verdiente er monatlich 15'500 Franken. «Aber in meinem Bereich lief nicht mehr viel», sagt M. vor Gericht. Er lacht verlegen.

Was er meint: Die Bank kämpfte damals noch mit der US-Hypo­thekenkrise, musste schleunigst sauber werden. Er wolle gehen, sagte M. dem UBS-Boss Oswald Grübel. Als Zückerchen zur neuen Selbständigkeit als Privatermittler gab es von der Bank ein Startgeld obendrauf. M. sagt: «Ich bin nicht einer, der auf die Pension wartet. Ich will was zu tun haben.» Er tat das Falsche.

Spätestens bei der Verhaftung in Frankfurt am Main wird ihm das klar. Herr Biedermann spielte ­Spion und landete hinter Gittern. In der Justizvollzugsanstalt Mannheim, einem hundertjährigen gruseligen Knast. Auch der Ex- Wettermoderator Jörg Kachelmann sass bis zu seinem Freispruch dort in U-Haft. In der «Weltwoche» beschrieb er es so: «Ich hatte einen Ort betreten, an dem es keine Hoffnung gibt. Es war niederschmetternd.» Die erste Nacht verbrachte Kachelmann in ­einer «versifften, verschissenen und verkakerlakten Zelle». Weiter: «Ich glaube tatsächlich, es ist das Ziel der U-Haft, die Menschen zu brechen. Sie zielt nicht auf physische, aber auf psychische Vernichtung.» M. empfand es wohl ähnlich.

Der Geheimdienst liess M. fallen

«Diese sechs Monate haben mir das Genick gebrochen», sagte er vor Gericht. Sein altes Leben ist futsch. Während er in U-Haft sitzt, versuchen Lebenspartnerin und Töchter, das Eigenheim zu verkaufen. «Wir müssen ja Liquidität schaffen.» Es tönt, als entschuldige er sich für diesen Umstand. Aber die Kosten läppern sich: 40'000 Euro Busse. Die Verfahrenskosten. Und natürlich die Anwälte. Drei in Deutschland, einer in der Schweiz. Klingende Namen, der Zürcher Valentin Landmann, der Hamburger Robert Kain. Viel bleibe ihm nicht, so der Angeklagte.

«Dank der Liebe meiner Partnerin und Töchter komme ich wieder hoch», glaubt M. Auch am zweiten Prozesstag sind sie da. Mit den Medien reden sie nicht. Die Familie leidet leise, und sie kämpft. Der Geheimdienst dagegen liess M. so schnell fallen wie James Bond ­einen Ehering: Es gab keinen Rappen für die Prozesskosten. «Mein Mandant regte sich auf, dass null Unterstützung kam», sagt Anwalt Kain. Der Nachrichtendienst habe ihn angeworben, und dann im Regen stehen lassen. M. habe die Möglichkeit, in der Schweiz zivilrechtlich gegen ihn vorzugehen.

Daniel M. spielte ein riskantes Spiel. Und verlor. Sein Name ging durch die Presse – in seiner Branche ist das Gift. Auch ihm ist bewusst: «Der Neustart wird eine schwierige Übung.» Aber gebrochen wirkt er nicht. «Ich hatte in den letzten sechs Monaten genügend Zeit, Businesspläne zu schreiben», sagt er. Ein Business drängt sich jetzt schon auf. Ein Buch zu schreiben. Etwa einen Agentenroman.

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