Am Freitag verhafteten Beamte den Schweizer Daniel M.* (54) in einem Frankfurter Hotel. Wenig später teilt die deutsche Bundesanwaltschaft mit: «Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, für den Geheimdienst einer fremden Macht tätig gewesen zu sein.»
Mit «fremde Macht» ist die Schweiz gemeint. Dies bestätigt der deutsche Anwalt des Beschuldigten gegenüber SonntagsBlick. «Mein Mandant soll im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienstes in Deutschland spioniert haben.»
Auslöser der Schnüffel-Affäre sind Steuer-CDs, welche Bankangestellte an deutsche Steuerfahnder verkauften (siehe Box) - zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen. Die Schweiz beharrte immer darauf, dass die Informationen auf solchen CDs nicht verwendet werden dürfen. Weil sie illegal beschafft worden seien.
Daniel M. droht Freiheitsstrafe von fünf Jahren
Dafür sollten die deutschen Steuerfahnder zur Verantwortung gezogen werden. «Hier kommt mein Mandant ins Spiel», sagt der Verteidiger. Der Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) soll ihn nach Deutschland entsandt haben. «Um hier herauszufinden, welche Steuerfahnder die Steuer-CDs kauften und wie diese Käufe genau abliefen.»
Ein Vorwurf, der schwerwiegende Konsequenzen haben könnte. Nicht nur für Daniel M., dem eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren droht. Denn die Geheimdienste aus der Schweiz und Deutschland pflegen engste Kontakte, tauschen regelmässig Informationen aus. «Nun steht plötzlich der Vorwurf im Raum, dass der Schweizer Nachrichtendienst einen Agenten nach Deutschland schickte, um hier Steuerfahnder auszuspionieren. Das könnte das Verhältnis nachhaltig stören», sagt der Anwalt.
Finanzminister: «Ein handfester Skandal»
Deutliche Worte findet Norbert Walter-Borjans (64), Finanzminister von Nordrhein-Westfalen: «Falls sich die Geschichte als wahr erweist, wäre das ein handfester Skandal: Wenn Nachrichtendienste Spione beauftragen, in Deutschland Steuerfahnder zu bespitzeln, muss man sich doch fragen, in wessen Interesse sie handeln. Im Namen der Steuergerechtigkeit ja wohl kaum.» Wer Jagd auf Steuerfahnder mache, schütze die Täter.
In Deutschland gaben gestern weder die Bundesanwaltschaft, noch der Nachrichtendienst weitere Auskünfte zum Fall. Der NDB seinerseits verwies SonntagsBlick an das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Dieses teilte am Freitag mit, «Kenntnis von der Verhaftung eines Schweizer Bürgers in Deutschland» zu haben. Weitere Fragen blieben gestern unbeantwortet.
Ursprünglich bekämpfte Daniel M. als Polizist die organisierte Kriminalität. Dann wechselte er in den Sicherheitsbereich einer Schweizer Grossbank – arbeitete gleichzeitig aber auch als freier Mitarbeiter für den NDB. Kurios: M. geriet 2015 auch schon in das Visier der Schweizer Behörden. Er soll Tausende Daten von Bankkunden gesammelt haben. Um diese an Dritte weiter zu verkaufen. Die Informationen, welche er anbot, stellten sich schliesslich als Fälschungen heraus. Unklar ist, ob M. wirklich Geld machen wollte. Oder einfach versuchte, mit dem Angebot mögliche Käufer zu entlarven.
Der Schweizer befindet sich wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. * Name bekannt
2006 kauften deutsche Behörden zum ersten Mal Daten-CDs mit Informationen zu Steuerflüchtlingen. Besonders aktiv war das Bundesland Nordrhein-Westfalen: Unter anderem erwarb das Bundesland 2012 eine Steuer-CD mit Daten der UBS. Die Fälle umfassten ein Volumen von 2,9 Milliarden Euro. Die Deutschen erhofften sich von den Käufen eine abschreckende Wirkung auf Steuerhinterzieher. Und tatsächlich häuften sich nach jedem Kauf von Steuerdaten die Selbstanzeigen. Die Schweiz antwortete juristisch: Die Bundesanwaltschaft stellte einen Haftbefehl gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen aus wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes. Letztes Jahr stimmte das Parlament einem automatischen Informationsaustausch mit der EU zu. Damit wird der Kauf von Daten-CDs hinfällig. Der automatische Austausch beginnt 2018.
2006 kauften deutsche Behörden zum ersten Mal Daten-CDs mit Informationen zu Steuerflüchtlingen. Besonders aktiv war das Bundesland Nordrhein-Westfalen: Unter anderem erwarb das Bundesland 2012 eine Steuer-CD mit Daten der UBS. Die Fälle umfassten ein Volumen von 2,9 Milliarden Euro. Die Deutschen erhofften sich von den Käufen eine abschreckende Wirkung auf Steuerhinterzieher. Und tatsächlich häuften sich nach jedem Kauf von Steuerdaten die Selbstanzeigen. Die Schweiz antwortete juristisch: Die Bundesanwaltschaft stellte einen Haftbefehl gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen aus wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes. Letztes Jahr stimmte das Parlament einem automatischen Informationsaustausch mit der EU zu. Damit wird der Kauf von Daten-CDs hinfällig. Der automatische Austausch beginnt 2018.