Spielsüchtige über Werbung
«Casinos sollten finanzielle Notlage nicht ausnutzen»

Schweizer Casinos bewerben in der Krise verstärkt ihre Onlinespiele. Fachleute und Spielsüchtige sind besorgt.
Publiziert: 05.04.2020 um 14:09 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2021 um 17:29 Uhr
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Schneller Gewinn – rasch, überall, jederzeit: Dem Versprechen der Schweizer Casinos ist seit Beginn des Lockdowns kaum noch auszuweichen. In Bahnhöfen, im Fernsehen, im Internet und nun auch noch in personalisierten «Newslettern» wirbt die Branche für ihr Onlineangebot.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY
Lukas Lippert

Schneller Gewinn – rasch, überall, jederzeit: Dem Versprechen der Schweizer Casinos ist seit Beginn des Lockdowns kaum noch auszuweichen. In Bahnhöfen, im Fernsehen, im Internet und nun auch noch in personalisierten «Newslettern» wirbt die Branche für ihr Onlineangebot.

Fachleute und Spielsüchtige sind konsterniert. Denn Onlinecasinos können schnell süchtig machen. «Gerade in finanziellen Notlagen, wie sie jetzt während des Lockdowns herrschen, spielen Geldspielsüchtige häufig besonders intensiv», sagt Franz ­Eidenbenz, Leiter Behandlung im Zentrum für Spielsucht des Kantons Zürich.

«Die Menschen haben die Illusion, mit einem grossen Gewinn ihre Schulden bezahlen zu können.» Eidenbenz hat die letzten Tage viele Gespräch mit Betroffenen und Therapeuten geführt. Sein Fazit: Die Werbeoffensive der Onlinecasinos ist für Süchtige und ­Gefährdete eine zusätzliche ­Belastung.

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Casinos setzen alles auf Onlinekarte

Geschalten wird die Werbung von fünf Casinos in der Schweiz. Sie haben wegen des Lockdowns ihre Pforten dichtgemacht und setzen jetzt alles auf die Onlinekarte. Allerdings sei der Lockdown keineswegs der Grund für die Werbeoffen­sive, schreiben die Casinos auf Anfrage. Ihre Werbeeinsätze bewegten sich im üblichen Rahmen. Wegen der Schliessung würden sich die Werbeeinsätze nun aber geballt auf die Onlineangebote fokussieren.

Das Grand Casino Luzern, das die Seite mycasino.ch betreibt, fügt ausserdem an: «Derzeit sind fünf Schweizer Onlinecasinos auf dem Markt, wobei das letzte vor rund einem Monat mit entsprechenden Werbeaktivitäten in den Markt eingetreten ist. Das hat im März zu mehr Werbung in den digitalen Medien geführt.»

Die Casinos widersprechen auch den Befürchtungen der Suchtberater. So betont das Grand Casino Luzern gegenüber SonntagsBlick, man setze sich proaktiv für verantwortungsvolles Spielen ein: «Spielen bei mycasino.ch soll Spass machen und sich in einem vernünftigen Rahmen bewegen.»

Verlockend und gefährlich

Wie sehen Spielsüchtige die Offensive? Ein 39-jähriger Immobilienfachmann erzählt: «Seit die Casinos geschlossen sind und praktisch keine Sportveranstaltungen mehr stattfinden, sind viele gezwungen, abstinent zu sein. Das ist eigentlich eine Chance, von der Spielsucht loszukommen.» Ausgerechnet jetzt aber bekomme er gehäuft Werbematerial per E-Mail. Die Aufforderung, auf Onlinecasinos auszuweichen und dafür auch noch einen Bonus zu erhalten, empfinde er als sehr verlockend – und entsprechend gefährlich. Der Spielsüchtige, der sich seit längerer Zeit in Behandlung befindet, ­appelliert an die Anbieter: «Ich wünsche mir, dass die Casinos die derzeitige finanzielle Not­lage, die bei vielen Personen ­vorherrscht, nicht ausnutzen.»

Dass in der Schweiz überhaupt Werbung für Onlinecasinos geschaltet werden darf, ist dem revidierten Geldspielgesetz zu verdanken. Das Stimmvolk hat dieses vor knapp zwei Jahren mit einer deutlichen Mehrheit angenommen. Die Argumentation der Casinos damals wie heute lautet: Es gehe darum, «ein sozialverträgliches Glücksspiel anzubieten und dem unkontrollierten Angebot ohne ­Sozialschutzmassnahmen der ausländischen Anbieter Einhalt zu gebieten». Dies sei bisher auch gut gelungen, schreibt das Grand Casino Luzern.

Ausländische Onlinecasinos gesperrt

Tatsächlich gab es vor der Gesetzesrevision auf dem Schweizer Markt nur ausländische On­linecasinos – ohne jeden Schutz für Spielsüchtige. Nun sind diese Websites offiziell gesperrt.

Unter Fachleuten gilt als un­bestritten, dass Schweizer ­Onlinecasinos einen besseren Schutz gegen Spielsucht bieten. Sie werden von der Eidgenössischen Spielbankenkommission überwacht, die ihnen unter anderem vorschreibt, «den Spielern Möglichkeiten zur Kontrolle und Beschränkung der Spieldauer, der Spielhäufigkeit oder der Verluste zur Verfügung zu stellen» – auch in ihren Onlineangeboten.

Und doch sind sich die Experten sicher: Die Corona-Krise wird zu mehr Süchtigen führen, vor allem zu mehr Spielsüchtigen.

Haben Sie Suchtprobleme?

Diese drei Anlaufstellen können helfen:

Diese drei Anlaufstellen können helfen:

Hier lauern Gefahren einer Sucht
  • Porno: Rund 300'000 Sex- und Pornosüchtige gibt es in der Schweiz. Das Anbieten von kostenlosen Premiumzugängen in der Krise erhöht das Suchtrisiko.
  • Geldspiel: Knapp 200'000 Personen zeigen ein exzessives Spielverhalten. Das Geldspiel hat sich jetzt ins Internet verlagert – das Suchtrisiko ist dort besonders hoch.
  • Illegale Drogen: Rund 220'000 Personen konsumieren Cannabis. In der Krise ist die Tendenz steigend. Der Konsum von Partydrogen wie Ecstasy ist eingebrochen.
  • Alkohol: Rund 250'000 Personen gelten als alkoholabhängig. Zurzeit wird mehr Alkohol in den Läden verkauft, dafür ist das Rauschtrinken zurückgegangen. (Quelle: Sucht Schweiz)
  • Rauchen: Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung raucht. Die Zigarettenverkäufe haben seit Beginn der Krise zugenommen, vor allem Stangen sind begehrt.
  • Porno: Rund 300'000 Sex- und Pornosüchtige gibt es in der Schweiz. Das Anbieten von kostenlosen Premiumzugängen in der Krise erhöht das Suchtrisiko.
  • Geldspiel: Knapp 200'000 Personen zeigen ein exzessives Spielverhalten. Das Geldspiel hat sich jetzt ins Internet verlagert – das Suchtrisiko ist dort besonders hoch.
  • Illegale Drogen: Rund 220'000 Personen konsumieren Cannabis. In der Krise ist die Tendenz steigend. Der Konsum von Partydrogen wie Ecstasy ist eingebrochen.
  • Alkohol: Rund 250'000 Personen gelten als alkoholabhängig. Zurzeit wird mehr Alkohol in den Läden verkauft, dafür ist das Rauschtrinken zurückgegangen. (Quelle: Sucht Schweiz)
  • Rauchen: Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung raucht. Die Zigarettenverkäufe haben seit Beginn der Krise zugenommen, vor allem Stangen sind begehrt.
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