Birol Kayikci (44) fährt am Montag um 13.05 Uhr mit fünf Freunden von Reims über Strassburg (beide F) nach Basel. Weil Kayikci gehörlos ist, sitzt er gerne in den 4er-Kompositionen. Diese eignen sich perfekt, um in Gebärdensprache zu kommunizieren. «Wenn wir nebeneinander oder hintereinander sitzen, müssen wir unseren Kopf drehen, und die ganze Kommunikation ist viel mühsamer», sagt der in der Schweiz aufgewachsene Türke zu BLICK.
Doch in seinem Bus nach Strassburg sind diese 4er-Sitze gesperrt. Schwarze Anschnall-Gurte sind im vorderen Teil des Wagens über den Gang geschnallt und machen klar: Hier sitzt niemand.
Kayikci versucht, mit dem Chauffeur zu sprechen, ihm seine Situation zu erklären. Aber der Fahrer hat offenbar keine Lust zu diskutieren, schickt den 44-Jährigen wieder nach hinten.
Dort hat es genau noch einen Platz frei: direkt neben der Toilette. Bloss stinkt diese offenbar so fürchterlich, dass es Kayikci kurz darauf speiübel wird. «Der Gestank wurde so schlimm, dass ich von meinem Nickerchen aufgewacht bin.» Gegen den fauligen Duft hilft Essen und Trinken, denkt sich der in Biel BE lebende Hauswart. Doch die Minibar ist laut ihm während der vierstündigen Busfahrt zu, obwohl im Internet gegenteiliges versprochen wird.
Plätze von älterem Paar besetzt
Kayikci ist entsprechend sauer, als der Höhepunkt seiner Misere folgt: Im Verlauf der Fahrt muss er feststellen, dass die vorderen Plätze überhaupt nicht gesperrt sind. Ein älteres Paar habe sich inzwischen hingesetzt, sagt er zu BLICK. Auch die Chauffeure seien ständig durchgelaufen. Die zu Beginn vorhandene Absperrung war demnach nur noch Makulatur.
Kayikci fühlt sich diskriminiert und kann nicht schnell genug aussteigen, als der Bus schliesslich in Strassburg eintrifft. Er verabschiedet sich von seinen Freunden und glaubt, das Martyrium sei nun zu Ende. Ein Irrtum. «In Strassburg musste ich drei Stunden auf den Bus nach Basel warten. Als ich dann einstieg, durfte ich schon wieder nicht vorne sitzen!», beschwert sich Kayikci gegenüber BLICK. «Gehörlose haben gerne einen guten Überblick, darum ist ein Platz ganz vorne wichtig für uns.»
Warum er nicht vorne sitzen darf? Weil der Chauffeur den freien Platz angeblich für seine persönlichen Habseligkeiten reserviert hat. Später hätten dann andere Personen auf den Platz sitzen dürfen. Nur er nicht.
«Wir nehmen den Fall sehr ernst»
Immerhin: Der Chauffeur entschuldigt sich am Ende bei ihm. Flixbus schreibt: «Dass sich Fahrgäste diskriminiert gefühlt haben, bedauern wir und nehmen den Fall dementsprechend sehr ernst.» Jeden Tag seien viele Fahrgäste mit körperlicher Einschränkung unterwegs, und man tue alles dafür, die Passagiere bequem und sicher ans Ziel zu bringen. «Aus diesem Grund ist es auch nicht akzeptabel, dass Fluchtwege im Bus in irgendeiner Weise blockiert werden», schreibt das Unternehmen. Warum es auf dem Weg von Reims nach Strassburg trotzdem geschah, weiss Flixbus bisher nicht. Man habe die Busfahrer um Stellungnahme gebeten, sie aber noch nicht erreicht.
Doch warum durfte Kayikci nicht vorne sitzen, wenn es andere Passagiere ja offensichtlich konnten? Flixbus lässt ausrichten, dass die 4er-Abteile für Passagiere mit Reservation besetzt seien, die der Passagier nicht besessen hätte. Dies sei auch auf der Fahrt von Strassburg nach Basel der Fall gewesen. Diese Plätze würden nie freigegeben, auch wenn niemand dort sitzen würde. Denn man könne nicht ausschliessen, dass im Verlauf der Fahrt Passagiere zusteigen, die eine entsprechende Reservation haben.
So bleibt Kayikci nichts anderes übrig, als das nächste Mal diese Plätze zu buchen. Oder den Zug zu nehmen.
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