Die kleine Kammer nahm die von ihrer Sozialkommission erarbeitete Vorlage am Donnerstag mit 32 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung an. Dass neben Bild- und Tonaufnahmen auch «technische Instrumente zur Standortbestimmung» erlaubt sein sollen, beschloss er mit 29 zu 13 Stimmen bei 1 Enthaltung.
Zulässig sind solche Mittel sonst nur für die Strafverfolgungsbehörden und den Nachrichtendienst. Diese brauchen dafür eine richterliche Genehmigung. Die Kommission wollte den Sozialversicherungen solche Mittel ohne Genehmigung erlauben. Der Rat beschloss nun aber, dass ein Richter entscheiden soll. Er nahm einen entsprechenden Antrag von Andrea Caroni (FDP/AR) an.
Rechtsprofessoren hatten vor den Beratungen im Ständerat Alarm geschlagen. Auch der Bundesrat lehnte den Vorschlag der Kommission ab. Er wollte die Instrumente zur Standortbestimmung gar nicht zulassen. Innenminister Alain Berset wies auf den Schutz der Privatsphäre und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit hin.
Er erinnerte auch daran, dass potenziell viele Menschen betroffen seien. Die Regeln gelten nicht nur für die IV, sondern auch für die AHV sowie die Unfall-, Arbeitslosen-, und Krankenversicherung. Ausserdem sei unklar, welche technischen Instrumente erlaubt wären. Neben GPS-Trackern könnten auch Drohnen zum Einsatz kommen.
Für die Überwachung machte sich Alex Kuprecht (SVP/SZ) stark. Es gehe nicht um Kavaliersdelikte, sondern um Betrug an den Sozialversicherungen und somit an der prämienzahlenden Allgemeinheit, argumentierte er. Den betrügerischen Handlungen müsse ein Riegel geschoben werden. Er vertraue den Praktikern mehr als den Rechtsprofessoren, stellte Kuprecht fest.
Pirmin Bischof (CVP/SO) argumentierte, die GPS-Tracker seien notwendig, um Personen lokalisieren zu können. Nach Auskunft der IV-Stellen gebe es Personen, die an ihren Wohnorten nie anzutreffen seien, gerade bei Missbräuchen.
Dass Missbrauch bekämpft wird, wollen auch die Kritiker der Vorlage. Dies habe aber unter Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze zu erfolgen, forderten sie. Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung schiesse weit über das Ziel hinaus, sagte Paul Rechsteiner (SP/SG). «Da ist etwas aus dem Lot geraten.»
Die Gegner erinnerten auch daran, dass der Rat erst vor zwei Tagen jegliche Verschärfung für Steuerdelinquenten abgelehnt habe. Auf diese wolle man nicht mit solchen Kanonen schiessen, stellte Hans Stöckli (SP/BE) fest. Er gab weiter zu bedenken, dass sich bei einem Drittel der Observationen der Verdacht als falsch erweise. Die Vorschläge der Kommission gingen weiter als das Strafrecht und der Staatsschutz. «Man muss sich das einmal vorstellen», sagte Stöckli.
Bedenken äusserten nicht nur die Vertreterinnen und Vertreter der Ratslinken. Raphaël Comte (FDP/NE) beantragte dem Rat, die Vorlage an die Kommission zurückzuweisen. Die Mehrheit befand aber, das sei unnötig. Korrekturen könnten in der Detailberatung angebracht werden.
Nach dem Willen des Ständerates sollen Versicherte dann observiert und überwacht werden dürfen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie unrechtmässig Leistungen beziehen oder zu beziehen versuchen. Die Observation anordnen kann eine Person mit Direktionsfunktion bei der Versicherung.
Die Ratslinke wollte im Gesetz verankern, dass die Betroffenen nur an allgemein zugänglichen Orten observiert werden dürfen. Das lehnte der Rat aber ab. Nicht umstritten war die Dauer der Observation: Die Versicherten sollen an höchstens 30 Tagen innerhalb von sechs Monaten beobachtet werden dürfen. Die Dauer könnte um höchstens sechs Monate verlängert werden.
Über die Vorlage entscheidet nun der Nationalrat. Die gesamten Gesetzgebungsarbeiten gehen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zurück. Dieser hatte festgestellt, dass in der Schweiz eine klare und detaillierte gesetzliche Grundlage zur Observation von Versicherten fehlt. Wegen des Urteils musste die IV ihre Beobachtungen einstellen.
Um diese wieder zu ermöglichen, wollte der Bundesrat im Rahmen einer Reform des Sozialversicherungsrechts eine gesetzliche Grundlage schaffen. Die Ständeratskommission beschloss aber, das Verfahren zu beschleunigen. Sie löste den Observationsartikel aus dem Reformpaket heraus und ergänzte diesen.