Sozialversicherungen
Gesetz zur Überwachung von Versicherten unter Dach und Fach

Sozialversicherungen dürfen Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch künftig durch Detektive observieren lassen. Mit richterlicher Genehmigung sind auch technische Geräte zur Standortbestimmung erlaubt.
Publiziert: 15.03.2018 um 15:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:36 Uhr
IV-Rentner sollen künftig überwacht werden können, auch mit Drohnen. National- und Ständerat haben die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

National- und Ständerat haben die gesetzliche Grundlage am Donnerstag bereinigt. Umstritten war zuletzt noch, wer die Überwachung von IV-Rentnern, Arbeitslosen oder Krankenversicherten anordnen darf. Die Räte haben nun beschlossen, diese Kompetenz den Direktionsmitgliedern der Versicherungen zu übertragen.

Der Nationalrat wollte ursprünglich ins Gesetz schreiben, dass auch Sachbearbeiter Überwachungen anordnen dürfen. Er folgte am Ende aber stillschweigend dem Ständerat. Das Gesetz ist damit bereit für die Schlussabstimmungen. Davon betroffen sind nicht nur IV-Bezügerinnen und -Bezüger. Die Regeln gelten auch für die Unfall-, die Kranken- und die Arbeitslosenversicherung.

Die Gesetzgebungsarbeiten gehen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zurück. Dieser hatte festgestellt, dass in der Schweiz eine klare und detaillierte gesetzliche Grundlage zur Observation von Versicherten fehle. Wegen des Urteils mussten die IV und die Unfallversicherer ihre Beobachtungen einstellen.

Um diese wieder zu ermöglichen, wollte der Bundesrat im Rahmen einer Reform des Sozialversicherungsrechts eine gesetzliche Grundlage schaffen. Das Parlament beschloss aber, das Verfahren zu beschleunigen. Die Räte lösten den Observationsartikel aus dem Reformpaket heraus und ergänzten diesen.

Das Parlament beschloss, neben Bild- und Tonaufnahmen auch technische Instrumente zur Standortbestimmung zu erlauben. Gemeint sind vor allem GPS-Tracker, die an Autos angebracht werden. Anders als bei den Bild- und Tonaufnahmen braucht es dafür eine richterliche Genehmigung.

Der Versicherer muss dem zuständigen Gericht einen Antrag unterbreiten. Darin muss er das Ziel der Observation angeben und begründen, warum er den Einsatz eines GPS-Trackers für notwendig hält. Auch der Beginn und das Ende der Observation müssen angegeben werden. Die Linke forderte vergeblich, für Bild- und Tonaufnahmen ebenfalls eine richterliche Genehmigung zu verlangen.

Der Bundesrat hatte GPS-Tracker nicht zulassen wollen. Sozialminister Alain Berset wies auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit hin. Ein Rechtsstaat wie die Schweiz sollte Überwachungsexzesse vermeiden, mahnte er.

Unter die technischen Hilfsmittel fallen auch die Geo-Lokalisation über WLAN oder Bluetooth sowie Drohnen, sofern diese zur Standortbestimmung eingesetzt werden. Nicht verwendet werden dürften Drohnen zur direkten Observation, erklärte Kommissionssprecherin Isabelle Moret (FDP/VD) im Nationalrat. Pirmin Bischof (CVP/SO) hielt im Ständerat fest, die genaue Interpretation sei Sache der Gerichte.

Umstritten war nicht nur ob und mit welchen Mitteln, sondern auch wo Versicherte beobachtet werden dürfen. National- und Ständerat beschränkten sich nicht auf Observationen an allgemein zugänglichen Orten wie Strassen und Parks. Betroffene sollen an allen Orten beobachtet werden dürfen, die von einem allgemein zugänglichen Ort aus frei einsehbar sind - beispielsweise auf dem Balkon.

Die bürgerliche Mehrheit befand, die Massnahmen seien gerechtfertigt und im öffentlichen Interesse. Zwar handle es sich um wenige Fälle, doch schade das Verhalten der Betrüger allen Leistungsbezügern und dem gesamten System.

SP und Grüne halten die Massnahmen für unverhältnismässig. Wegen ein paar hundert Personen, die zu Unrecht Leistungen bezögen, würden alle unter Generalverdacht gestellt und die Privatsphäre geopfert, kritisierten sie. Gegen Steuerbetrüger gehe der Staat nicht auf diese Weise vor. (SDA)

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