SonntagsBlick zu Besuch in Zermatt VS
«Wir müssen Musterknabe in allem sein»

Aufpasser statt Eigenverantwortung. Ein Augenschein im Walliser Skiparadies zeigt: Die neuen Corona-Vorschriften werden befolgt – von fast allen ...
Publiziert: 03.01.2021 um 10:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2021 um 21:12 Uhr
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Die Corona-Massnahmen werden in Zermatt VS streng umgesetzt.
Foto: Blick
Sven Ziegler

Silvestermorgen, kurz nach 8 Uhr. Bereits ist viel los auf den Strassen von Zermatt VS. Skifahrer machen sich auf den Weg, warten geduldig auf die Bahn Richtung Gornergrat. Die Freude auf den Jahreswechsel ist gross. Den letzten Tag des ungeliebten Jahres 2020 wollen viele noch einmal in vollen Zügen – höhö, volle Züge – geniessen.

Zwischen den wartenden Skifahrern patrouillieren Menschen in orangefarbenen Westen. «Bitte setzen Sie Ihre Maske richtig auf!» «Halten Sie Abstand!» «Beachten Sie die Markierungen auf dem Boden!» Viel zu beanstanden gibt es für die Corona-Aufpasser allerdings nicht. Die meisten Touristen halten sich an die geltenden Massnahmen, nur vereinzelt müssen die Kontrolleure einschreiten.

Das weltberühmte Dorf präsentiert sich dieser Tage trotz Pandemie von seiner besten Seite. Tourismusdirektor Daniel Luggen (49) ist zufrieden, die Einhaltung der Schutzmassnahmen funktioniere gut. Dabei war Zermatt der erste Ort, der mit Bildern von Menschenknäueln und dicht gedrängten Wintersportlern für Negativschlagzeilen sorgte. «Wir haben zu sehr auf die Eigenverantwortung der Leute gesetzt», sagt Luggen rückblickend. Nachdem Zermatt in den Fokus der Berichterstattung geriet, entbrannte in der Schweiz eine heftige Diskussion um die Schliessung der Skigebiete. «Uns war schnell klar: Ab jetzt müssen wir überall Musterknabe sein. Wir können uns keine weiteren Negativschlagzeilen erlauben.»

RAV stellt Aufpasser auf

Zusammen mit der regionalen Arbeitsvermittlung und dem Kanton organisierte Zermatt daraufhin fast 150 Aufpasser. Die «Covid-Angels», zu deutsch «Corona-Engel», patrouillieren durch die Strassen, stehen vor Ladengeschäften oder an den Tal- und Bergstationen der Bergbahnen. Sie achten gemeinsam mit der Polizei und privaten Sicherheitsfirmen darauf, dass die Abstände eingehalten und Masken richtig getragen werden.

Auch vor den Einkaufsstrassen stehen Leute in Leuchtwesten. Manuell wird jeder Besucher gezählt, die Aufpasser winken die Leute je nach Anzahl freier Kapazitäten in den Laden. Ignoriert werden könnnen sie nicht: Als zwei junge Snowboarder an der Warteschlange vorbei den bereits vollen Coop betreten wollen, versperrt ihnen ein stämmiger Sicherheitsbeamter den Weg.

«Wir wollen das Bestmögliche aus der Situation machen. Unser Ziel ist es, dass sich die Gäste trotz der speziellen Umstände bei uns wohlfühlen», sagt Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser (50). Für sie ist klar: «Der Mensch muss in die Berge können. Die Leute kommen hierher, um Sonne zu tanken und frische Luft zu schnappen – die Flucht aus dem Alltag ist in diesem Jahr noch wichtiger als sonst.»

Zahlen des Zermatter Tourismusverbandes zeigen: Der Anteil Schweizer Gäste dürfte dieses Jahr massiv steigen. Während in anderen Jahren mehr als 50 Prozent der Wintergäste aus dem Ausland kommen, dürften es in diesem Jahr nur rund 15 Prozent sein. Zudem verzichten viele Gäste aufs Skifahren. Das Geschäft ist daher zwiegespalten: Die Hotels sind über die Festtage gut gebucht, die Bergbahnen allerdings leiden. Insgesamt rechnet Tourismusdirektor Daniel Luggen mit 25 Prozent weniger Gästen als normal.

Der Debatte um die Schliessung der Skigebiete kann er aufgrund der stark reduzierten Anzahl Skitouristen wenig abgewinnen. Er sagt: «Wir können mit gutem Gewissen hinter einer Öffnung stehen. Die Situation in den Wallisern Spitäler hat sich nach dem Lockdown im Dezember weitgehend entspannt.» Aktuelle Zahlen zeigen: Die Belegung der Intensivbetten liegt im Wallis deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt.

Angst vor Menschenansammlungen

Am Silvesterabend patroulliert die Polizei durch die Strassen, weist die wenigen Passanten auf die geltenden Regeln hin, beschlagnahmt Feuerwerk. In Zermatt gilt ausnahmsweise an Silvester ein striktes Feuerwerkverbot, aus Angst vor spontanen Menschenansammlungen. Die Beamten sind gut gelaunt, posieren sogar für ein Foto. Viel zu tun haben sie nicht: Aufgrund der geschlossenen Restaurants stossen die meisten Leute im Hotel auf das neue Jahr an. Die Schliessung der Gastrobetriebe schmerzt Daniel Luggen: «In Zermatt spielt die Gastronomie eine riesige Rolle. Die Schliessung ist für uns im Vergleich zu anderen Wintersportorten ein riesiges Handicap.»

Am nächsten Morgen sind die Leute von den Strassen verschwunden. Der bitterkalte Neujahrsmorgen liegt über dem Dorf. Der Silvesterabend fordert seinen Tribut, nur die hartgesottentsten Wintersportler sind auf dem Weg Richtung Bergbahn. Die Müdigkeit lässt sich in den Gesichtern ablesen. Die Corona-Engel haben an diesem Morgen wenig zu tun.

Die aktuelle Bilanz der Gemeinde ist positiv: Seit Anfang Dezember ist Zermatt aus der Berichterstattung der überfüllten Skigebiete verschwunden. Das Konzept funktioniere, sagen die Verantwortlichen. Gemeindepräsidentin Biner-Hauser hat fürs neue Jahr daher nur einen Wunsch: «Zermatt soll so sein dürfen, wie es ist. Die Berge und die Natur hier bei uns sind einmalig. Und jeder soll diese wunderbare Vielfalt geniessen dürfen.»

Kurz nach 8 Uhr ist schon viel los auf den Strassen von Zermatt VS. Skifahrer machen sich auf den Weg, warten geduldig auf die Bahn zum Gornergrat. Die Freude auf den Jahreswechsel ist gross. Den letzten Tag des ungeliebten Jahres 2020 wollen viele noch einmal in vollen Zügen geniessen – höhö, volle Züge!

Zwischen den wartenden Wintersportlern patrouillieren Offizielle in orangefarbenen Westen. «Bitte setzen Sie Ihre Maske richtig auf!» «Halten Sie Abstand!» «Beachten Sie die Markierungen auf dem Boden!» Viel zu beanstanden gibt es für die Corona-Aufpasser allerdings nicht. Die meisten halten sich an die geltenden Massnahmen, nur vereinzelt müssen die Kontrolleure einschreiten.

Das weltberühmte Dorf präsentiert sich dieser Tage trotz allem von seiner besten Seite. Tourismusdirektor Daniel Luggen (49) ist zufrieden, die Einhaltung der Schutzmassnahmen funktioniere gut. Dabei war Zermatt Mitte November der erste Ort, der mit Bildern von Skitouristen in Menschenknäueln für Negativschlagzeilen sorgte.

«Wir haben zu sehr auf die ­Eigenverantwortung der Leute gesetzt», sagt Luggen rückblickend. Nachdem Zermatt in den Fokus der Berichterstattung geraten war, entbrannte in der Schweiz eine heftige Diskussion um die Schliessung der Skigebiete. «Uns war schnell klar: Ab jetzt müssen wir Musterknabe in ­allem sein. Wir können uns keine weiteren Negativschlagzeilen erlauben.»

Mit der regionalen Arbeitsvermittlung und dem Kanton engagierte Zermatt fast 150 Aufpasser. Die «Covid-Angels», zu deutsch «Engel», patrouillieren durch Strassen, stehen vor Ladengeschäften oder an Tal- und Bergstationen der Bergbahnen. Sie achten gemeinsam mit der Polizei und privaten Sicherheitsfirmen darauf, dass die Abstände eingehalten und Masken richtig getragen werden.

Auch vor den Einkaufsstrassen stehen Leute in Leuchtwesten. Alle Besucher werden gezählt, die Aufpasser winken sie bei ­freien Kapazitäten in den Laden. Ignorieren lassen sie sich nicht: Als zwei junge Snowboarder den bereits vollen Coop an der Warteschlange vorbei betreten wollen, versperrt ihnen ein stämmiger ­Sicherheitsbeamter den Weg.

«Wir wollen das Bestmögliche aus der Situation machen. Unser Ziel ist es, dass sich die Gäste trotz der speziellen Umstände bei uns wohlfühlen», sagt Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser (50). «Der Mensch muss in die Berge können. Die Leute kommen hierher, um Sonne zu tanken und frische Luft zu schnappen – die Flucht aus dem Alltag ist in diesem Jahr noch wichtiger als sonst.»

Massiv mehr Schweizer Gäste

Zahlen des Zermatter Tourismusverbandes zeigen: Der Anteil Schweizer Gäste dürfte dieses Jahr massiv steigen. Während in anderen Jahren mehr als 50 Prozent der Wintergäste aus dem Ausland kamen, dürften es in diesem Jahr nur rund 15 Prozent sein. Viele Gäste verzichten zudem aufs Skifahren.

Das Geschäft ist in zwei Lager gespalten: Die Hotels sind über die Festtage gut besetzt, die Bergbahnen jedoch müssen ­leiden. Insgesamt rechnet Tourismusdirektor Luggen mit 25 Prozent weniger Gästen als üblich. Der Debatte um die Schliessung der Skigebiete kann er angesichts der stark reduzierten Zahl vom Skitouristen wenig abgewinnen: «Wir können mit gutem Gewissen hinter einer Öffnung stehen. Die Situation in den Wallisern Spitälern hat sich nach dem Lockdown im Dezember weitgehend entspannt.»

Aktuelle Zahlen zeigen: Die Belegung der Intensivbetten liegt im Wallis deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt.

Am Silvesterabend patrouilliert die Polizei durch die Strassen, weist die wenigen Passanten darauf hin, welche Regeln gelten, beschlagnahmt Pyrotechnik. In Zermatt gilt diesmal an Silvester striktes Feuerwerks­verbot, aus Angst vor spontanen Menschenansammlungen. Die Beamten sind gut gelaunt, posieren sogar für Fotos. Viel zu tun haben sie nicht: Weil die Restaurants geschlossenen sind, stossen die meisten im Hotel aufs neue Jahr an. Die Schliessungen schmerzen Daniel Luggen: «In Zermatt spielt die Gastronomie eine riesige Rolle. Die Schliessung ist für uns im Vergleich zu anderen Wintersportorten ein riesiges Handicap!»

Am nächsten Morgen sind die Strassen nahezu menschenleer. Ein bitterkalter Neujahrsmorgen liegt über dem Dorf. Der Silvesterabend hat seinen Tribut ge­fordert, nur die Hartgesottenen unter den Wintersportlern sind unterwegs in Richtung Bergbahnen. Die Müdigkeit lässt sich in ihren Gesichtern ablesen. Die «Corona-Engel» haben an diesem Morgen wenig zu tun.

Die aktuelle Bilanz der Gemeinde zu den eingeführten Massnahmen fällt positiv aus: Seit Anfang Dezember ist Zermatt aus der Berichterstattung der überfüllten Skigebiete verschwunden. Das Konzept funktioniere, sagen die Verantwortlichen.
Gemeindepräsidentin Biner-Hauser hat fürs neue Jahr daher nur einen Wunsch: «Zermatt soll so sein dürfen, wie es ist. Die Berge und die Natur hier bei uns sind einmalig. Und jeder soll diese wunderbare Vielfalt geniessen dürfen.»

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