SonntagsBlick-Enthüllung um Berner David M.
Doping-Arzt trimmte auch Sport-Rekruten

Arzt und Triathlet David M. bot vor laufender Kamera Doping an. Recherchen von SonntagsBlick zeigen: M. betreute auch beim VBS Athleten.
Publiziert: 04.02.2018 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:33 Uhr
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Der Berner Arzt David M. bietet einem Reporter Testosteron zur Leistungssteigerung an. Dabei läuft eine versteckte Kamera.
Foto: ZVG
Cyrill Pinto und Reza Rafi

Es ist ein Skandal, der lange unterhalb der öffentlichen Wahrnehmung schwelte und nun aufbricht: Im Mittelpunkt steht der Berner Arzt und Amateursportler David M.*. Ins Rollen brachte die Affäre eine ARD-Dokumentation, die in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Onlinemagazin «Republik» entstand. Ihr Titel: «Geheimsache Doping».

Eine versteckte Kamera hält fest, wie M. in seiner Berner Praxis Testosteron als leistungssteigerndes Mittel empfiehlt. Der Reporter gibt vor, ein deutscher Langläufer zu sein und seine Kondition verbessern zu wollen. Auf die Spur des mutmasslichen Doping-Arztes M. kamen die Rechercheure durch Dokumente aus Russland. Dort erschüttert ein Skandal über gedopte Athleten die Sportwelt, der bis in höchste Regierungskreise reicht.

Wer dopt, legt in kurzer Zeit Muskeln zu und steigert seine Leistungsfähigkeit.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Die Spitzensportler berichteten von staatlich gesteuertem Dopingmissbrauch an den Olympischen Spielen von Sotschi 2014. An den Winterspielen von Pyeongchang in Südkorea, die am Freitag eröffnet werden, dürfen Russlands Athleten deshalb nur unter neutraler Flagge starten.

Im Rahmen der Ermittlungen flog 2015 der inzwischen lebenslang gesperrte russische Arzt Sergej Portugalow auf. Sein Name steht in einem Vertrag, der von M. mitunterschrieben wurde und der ARD vorliegt. Demzufolge soll der Berner ein neues, in Russland entwickeltes Präparat an seinen Patienten testen.

Hoch angesehen und bestens vernetzt

David M. ist selbst aktiver Sportler. Sein grösster Triumph: Vizeweltmeister der Amateure beim Ironman. Der Langdistanztriathlon gilt als einer der härtesten Wettbewerbe überhaupt. M. ist in der Sportszene hoch angesehen und bestens vernetzt. Für den Schweizer Boxverband führte er noch letztes Jahr eine Weiterbildung für Ringärzte durch.

Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Als ranghoher Armeeoffizier betreute M. regelmässig auch Athleten, die im Rahmen der Spitzensport-RS in Magglingen BE trainieren, zuletzt war er beim Winter-Militärsportkurs vor zwei Wochen in Andermatt UR im Einsatz.

Armeesprecher Daniel Reist bestätigt: «Ja, David M. war als Oberstleutnant im Fachstab Sport in Kontakt mit Athleten.» Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn habe man die Zusammenarbeit jedoch «ausgesetzt». M.s Verhalten während seiner Zeit als Ausbilder bei der Armee sei jedoch «immer tadellos gewesen», betont Reist.

Bund soll sich stärker engagieren

Während seiner Laufbahn als Arzt und Sportler war M. bei mehreren prominenten Sportmedizinern tätig – so auch beim langjährigen Chefarzt von Swiss Olympic, Beat Villiger (74). David M., für den die Unschuldsvermutung gilt, arbeitete im Medizinischen Zentrum in Bad Ragaz SG ab 2000 als Assistenzarzt bei Villiger.

Langjährigen Chefarzt von Swiss Olympic, Beat Villiger.
Foto: zvg

Später war er auch im Paraplegikerzentrum in Nottwil LU tätig, das Villiger sechs Jahre lang leitete. An M. erinnert sich Villiger als «einen Sportverrückten, der jeweils aus dem Mittelland mit dem Velo zur Arbeit fuhr». Zum aktuellen Fall will der Ex-Chefarzt nichts sagen. Er wünscht sich aber mehr Engagement des Bundes im Kampf gegen Doping.

Inzwischen hat die Berner Staatsanwaltschaft gegen den Doping-Arzt ein Verfahren eröffnet und dessen Praxis durchsucht. Wegen Verstössen gegen das Heilmittel- und Sportförderungsgesetz drohen dem Mediziner bis zu drei Jahre Haft, wie Matthias Kamber (64) von Antidoping Schweiz sagt.

Die Doping-Jäger hatten M. schon lange auf dem Radar: Nach einem ersten Tipp eröffnete die Staatsanwaltschaft Bern bereits 2008 ein Verfahren, stellte es jedoch wieder ein – der Informant hatte da­rauf bestanden seine Anonymität zu wahren.

Matthias Kamber (64) von Antidoping Schweiz.
Foto: Keystone

Ein Zeuge sagt aus

SonntagsBlick hat den Mann ausfindig gemacht, der seine Beobachtungen damals an Antidoping Schweiz weitergegeben hatte. Er arbeitet ebenfalls als Mediziner und kennt mehrere von M.s Kontaktpersonen – frühere Patienten, aber auch den aktuellen Fall eines mutmasslichen Anabolika-Konsumenten.

«Bei diesen Sportlern fielen mir eindeutige Symptome von Dopingmissbrauch auf», berichtet er. Die Athleten – darunter Profisportler – hätten in kurzer Zeit Muskeln zugelegt und ihre Leistungsfähigkeit eindeutig gesteigert: «Die Haut der Athleten wurde unrein, ihre Persönlichkeit veränderte sich – alles deutliche Zeichen für einen Missbrauch von verbotenen Wachstumshormonen.»

Der Informant will weiterhin anonym bleiben. «Tippgeber werden in der Szene gemieden», begründet er seine Zurückhaltung.

Der aktive Triathlet M. ist nicht nur in der Sportszene gut vernetzt, sondern kennt auch viele Polizisten. In Bern gilt es als offenes Geheimnis, dass er für seine Patienten schnell zum Rezeptblock griff, damit sie Wettkämpfe mit guten Platzierungen bestehen konnten. Arzt David M. nahm trotz mehrmaliger Nachfrage zu den Vorwürfen nicht Stellung.

Für den Berner Doping-Arzt hatte der freigiebige Umgang mit leistungsfördernden, aber gesundheitsschädlichen Stoffen bisher keine Folgen. Das könnte sich jetzt ändern.

Mitarbeit: Hans-Peter Hildbrand

*Name von der Redaktion geändert

Der Fall

David M. soll mit Ärzten aus der ehemaligen Sowjetunion in Verbindung stehen, die bei russischen Athleten staatliches Doping betrieben. Aus einem Vertrag geht hervor, dass M. ein russisches Präparat testet. Vor versteckter Kamera bot er einem Reporter Testosteron zur Leistungssteigerung an. Jetzt untersucht die Berner Staatsanwaltschaft die Vorwürfe gegen ihn. 2009 hatte sie ein ähnliches Verfahren gegen M. eingestellt.

David M. soll mit Ärzten aus der ehemaligen Sowjetunion in Verbindung stehen, die bei russischen Athleten staatliches Doping betrieben. Aus einem Vertrag geht hervor, dass M. ein russisches Präparat testet. Vor versteckter Kamera bot er einem Reporter Testosteron zur Leistungssteigerung an. Jetzt untersucht die Berner Staatsanwaltschaft die Vorwürfe gegen ihn. 2009 hatte sie ein ähnliches Verfahren gegen M. eingestellt.

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