Ihre Boliden bringen Hunderte PS auf die Strasse, beschleunigen in unter drei Sekunden von null auf hundert. Regelmässig treffen sich die Besitzer der schnellen Wagen in der Industriezone von Wetzikon ZH und beim Kentucky Fried Chicken (KFC) im deutschen Singen.
B.I.* (20) aus Zürich ist einer von ihnen. Mit seinem getunten Hyundai gehört er zur Streetrace- und Tuning-Szene. Ihre Mitglieder veranstalten Strassenrennen und posten Videos davon im Internet. B. hat deshalb Ärger mit der Polizei: Er hat ein Strafverfahren wegen Nötigung am Hals. Die deutsche Justiz wirft ihm vor, er habe mit seinem Auto die Strasse gesperrt, damit sich Kollegen vor ihm ein Rennen liefern konnten. «Dabei stimmt das gar nicht!», sagt er. Auch B.'s Freund D.S.* (20) musste schon eine Busse bezahlen – weil er an seinem Auto unerlaubte Manipulationen vornahm. Er hatte einen Filter nicht korrekt eingebaut. «So wie das Auto jetzt ist, ist alles hundertprozentig legal», sagt er.
Die Polizei hat ein Auge auf die Szene. Vor zwei Wochen gelang der Kantonspolizei Zürich erstmals ein grosser Schlag: Eine erst seit März aktive, auf Raser spezialisierte Gruppe, stürmte Anfang November die Wohnungen von zehn Verdächtigen und führte Hausdurchsuchungen durch. Acht Autos beschlagnahmten die Beamten: PS-starke Sportwagen vor allem der Marke BMW. Den Rasern – sieben Portugiesen, zwei Schweizer und ein Serbe zwischen 21 und 34 Jahren – werden schwere Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz und Gefährdung des Lebens vorgeworfen. Ihnen droht ein Ausweisentzug von bis zu zwei Jahren und eine empfindliche Busse. Mehrere Verhaftete sind Mitglieder der portugiesischen Tuner in der Schweiz, den «Tugas do Aço». Sie veranstalteten regelmässig Rennen. Auf die Spur kam ihnen die Polizei nach einer Kontrolle auf der A52 bei Bülach ZH. Als Beamte die Handys von zwei Rasern kontrollierten, fanden sie darauf Hunderte Bilder und Videos von Rennen in Zürich und im Aargau.
Mitglieder der «Tugas» waren auch regelmässig bei den Szene-Treffen in Deutschland dabei. B. kennt die Gruppe, die einen grauen BMW M3 als Flaggschiff fuhr. «Einer hatte einen weissen Nissan GTR mit blauem Unterboden, er nannte sich ‹the real Godzilla›», sagt er. 600 PS bringt das bis zu 315 km/h schnelle Auto auf die Strasse. Mit ihren getunten Wagen waren die Portugiesen eine Macht auf dem Parkplatz vor dem Kentucky Fried Chicken. Hier muss KFC-Geschäftsführer Abraham Bulun (40) seit dem Sommer jedes Wochenende für Ordnung sorgen. Seit einigen Monaten trifft sich die Schweizer Szene regelmässig auf seinem Parkplatz. An ihrem früheren Treffpunkt, dem Fressbalken an der A1 in Würenlos AG, wurden sie von der Polizei durch regelmässige Kontrollen vertrieben. «Vor zwei Wochen war es hier in Singen ganz schlimm», sagt Bulun. Die Polizei musste die Hauptstrasse vor seinem Restaurant sperren, weil sich die Schweizer Tuner Rennen lieferten und mit rauchenden Reifen um den Kreisel fuhren.
Die Gemeinde hat Bulun nun das Messer an den Hals gesetzt: «Ich muss dafür sorgen, dass die Tuner ruhig bleiben, sonst drohen Konsequenzen.» Denn nur ein paar Meter neben dem KFC stehen Mehrfamilienhäuser. Bulun hat für den Parkplatz einen Security-Mann engagiert. Er schaut böse in einen vorbeifahrenden Audi und ermahnt den Fahrer: «Bitte nicht mehr den Motor aufheulen lassen!»
Das machen B., D. und seine Freunde anderswo. «Kommt, wir fahren zur Waschanlage!», rufen sie ihrer Truppe zu. Auf der privaten Strasse, ein paar Hundert Meter vom KFC entfernt, sind die Schweizer mit ihren schnellen Autos ungestört. D. und seine Kumpel vollführen ein paar «Kunststücke». Ein 800 PS starker Tesla spickt fast geräuschlos davon – als wäre er eine Metallfeder. «Geil», staunt B. Ein BMW beschleunigt fast ohne Zutun des Fahrers mit einer Startautomatik auf seine Maximalgeschwindigkeit.
Dann beginnt es zu regnen: kein Wetter für die Rennwagen, die Strasse wird glatt. Die Truppe zieht es zurück in die Schweiz. Als die Karawane mit den PS-starken Autos aufbricht, kreuzt ein Streifenwagen der deutschen Polizei auf. B. freut sich: «Das war knapp.»