Das ist die erste Solar-Alp der Schweiz
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Sonne statt Diesel:Nachhaltige Käseproduktion

Sonne statt Diesel
Das ist die erste Solar-Alp der Schweiz

1200 Liter Diesel verbraucht ein Schweizer Alpbetrieb im Durchschnitt jeden Sommer. Auf der Alp Malun machen die Sennen ihren Käse ab sofort nur noch mit grünem Strom.
Publiziert: 30.05.2021 um 15:16 Uhr
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Die Schweiz produziert über 450 Käsesorten.
Foto: Appenzeller
Danny Schlumpf

Weich, hart, frisch, gehobelt – die Schweiz produziert mehr als 450 Käsesorten. 200'000 Tonnen sind es im Jahr, 5000 davon stellen die Sennen auf den hiesigen Alpen her: Bergkäse, der dank der Kräuter auf den hohen Weiden besonders aromatisch ist.

Jeden Sommer steigen über 100'000 Milchkühe ins Gebirge, wo sie 100 Tage lang grasen. Sie tun das seit Jahrhunderten: Der Alpaufzug zählt zu den ältesten Bräuchen der Schweiz. Doch die Arbeit der Sennen in den 3000 Schweizer Alpbetrieben hat sich verändert. Heute melken sie die Kühe nicht mehr von Hand, sondern maschinell. Hightechgeräte unterstützen den Produktionsprozess.

Das verbraucht Energie – auch auf der Alp, weit ab von den Stromnetzen im Tal. Deshalb muss Diesel her. Rund 1200 Liter verbraucht ein Alpbetrieb im Durchschnitt pro Saison. Das Problem: Die Generatoren stossen grosse Mengen CO2, Stickoxide und Feinstaub aus. Und sie machen Lärm.

Doch es geht auch anders. Auf der Alp Malun oberhalb von Walenstadt SG bleibts heuer ruhig – auch wenn im Juni wieder 80 Kühe zur Sömmerung auf 1650 Meter über Meer kommen. «Ausser Kuhglocken wird man hier nichts hören», sagt Thomas Schnider (51), Präsident der Ortsgemeinde Berschis. «Denn Dieselgeneratoren gibt es bei uns nicht mehr. Wir haben aus Malun die erste Solaralp der Schweiz gemacht.»

Miniwasserkraftwerk liefert Strom

2019 rissen die Berschiser ihre 100-jährige Hirtenhütte und die angeschlossene Käserei ab und ersetzten sie für satte 1,85 Millionen Franken durch ein neues Gebäude mit moderner Produktionseinrichtung. Über eine halbe Million steuerte die Patenschaft für Berggemeinden bei. Auch deshalb, weil der Neubau mit einem völlig neuen Energiesystem ausgestattet wurde – auf Anregung von AEE Suisse, der Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien.

Schon seit Jahrzehnten liefert ein Miniwasserkraftwerk einen Teil des Stroms auf der Alp Malun. Dennoch mussten die hiesigen Sennen bisher jedes Jahr rund 200 Liter Diesel den Berg hochschleppen; im besonders trockenen Sommer vor zwei Jahren waren es sogar deutlich mehr. Und mit heissen Sommermonaten ist wegen der Klimaerwärmung auch künftig zu rechnen.

«Bis jetzt gab es keine Alternative zum Diesel», sagt Christian Dürr (46), Geschäftsleiter des Elektrizitätswerks Walenstadt. «Doch mittlerweile sind die Kosten für erneuerbare Energien extrem gesunken. Jetzt können wir die Alp komplett CO2-frei versorgen.»

Dafür ist nun neben dem Wasserkraftwerk eine grosse Fotovoltaikanlage zuständig. 55 Panels hat Reto Walter (43), Geschäftsführer der Firma Edion, in die neuen Dächer verbaut. «Ihr Ertrag ist hier oben besonders hoch», sagt der Energieausrüster. Die Panels leisten fast ein Drittel mehr als im Tal: 13'000 Kilowattstunden – das entspricht dem Bedarf von drei Einfamilienhäusern. Für das gleiche Ergebnis wären 1300 Liter Öl nötig.

Mobile Batterie

Herzstück des Systems ist eine grosse Batterie, die vom Wasserkraftwerk und den Solarzellen gespeist wird. Sie kostet mehr als 50'000 Franken. Für 100 Tage Sömmerung im Jahr würde sich die Anschaffung kaum lohnen. Deshalb steht die Batterie auf einem Anhänger: Nach ihrem Einsatz auf der Alp wird sie ins Tal transportiert und an das Netz des Elektrizitätswerks Walenstadt gehängt.

«So ist die Batterie 360 Tage im Jahr im Einsatz», sagt Geschäftsleiter Dürr. «Damit ist die Übung auch wirtschaftlich sinnvoll.» Der Transport über die holprigen Bergwege ist allerdings nicht ohne. «Darum musste eine robuste Batterie her», so Reto Walter von Edion. «Wir haben Komponenten gewählt, die auch in Wohnmobilen und Schiffen eingesetzt werden.»

Malun macht den Anfang. Im Bündner Calancatal ist ein ähnliches Pilotprojekt gestartet. Und dann? Produzieren schon bald alle Schweizer Alpbetriebe mit grünem Strom? Eine Hürde sind die Kosten: Das neue Energiesystem auf Malun kostet über 100'000 Franken.

Die Annahme des CO2-Gesetzes am 13.Juni könnte das Problem entschärfen. «Der Klimafonds, den das Gesetz vorsieht, ist zwar umstritten», sagt Stefan Batzli (56), Co-Geschäftsführer von AEE Suisse. «Doch er könnte genau solchen Projekten dienen, die einen nachhaltigen Einfluss auf unsere Stromproduktion haben.»

Im Juni wird Bauherr Schnider den neuen Alpbetrieb eröffnen. Dann kommen auch die Kühe wieder – und liefern in einem einzigen Sommer Milch für acht Tonnen Bergkäse, vier Tonnen Joghurt und 600 Kilogramm Butter. Produziert mit erneuerbarer Energie.

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