Es hätte eine Woche der Freude werden sollen. Es wurde eine Woche der Trauer: Am Donnerstag tauften die SBB den ersten Giruno – das neue Flaggschiff ihrer Flotte. CEO Andreas Meyer (58) war bei der Feier den Tränen nah.
Denn tags zuvor war ein schreckliches Unglück bekannt geworden: Vergangenes Wochenende war Zugchef Bruno R.* auf Gleis2 in Baden AG von einer Türe eingeklemmt worden. Der Zug fuhr los und schleifte R. mit. Man fand seinen leblosen Körper beim Bahnhof Wettingen.
Seither tobt ein Streit um den «Einheitswagen IV» – kurz EW IV. Mit diesem Wagentyp kam es zu dem tragischen Ereignis.
12 Prozent alles Personenwagen
Die Bähnler-Gewerkschaft SEV fordert, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, bis alle Fragen geklärt sind. Doch das ist nicht so einfach. Der EW IV stellt rund zwölf Prozent aller Personenwagen des staatlichen Bahnkonzerns, wie dessen Medienchef Jürg Grob auf eine Anfrage von SonntagsBlick schreibt: «Im Fernverkehr machen sie rund ein Viertel aus.»
So viele Wagen von einem Tag auf den nächsten stehen lassen, würde den Bahnverkehr in der Schweiz massiv einschränken. Zumal die SBB immer noch darauf warten, die neuen Bombardier-Doppelstöcker voll einsetzen zu können. SBB-Sprecher Grob betont: «Gemäss jetzigem Wissensstand ist es nicht nötig, die EW-IV-Fahrzeuge ausser Betrieb zu nehmen.» Aktuell gehe man von einem Einzelfall aus, bei dem mehrere Faktoren zusammengekommen seien.
Zugbegleiterinnen sagten nach dem Unfall zu Radio SRF, es sei schon lange bekannt, dass die Türen nicht mehr richtig funktionieren. Ihr happiger Vorwurf an die SBB-Führung: Sie kenne das Problem schon lange, habe aber zu wenig unternommen!
Probleme mit Türen, wenn der Sensor falsch eingestellt ist
«Das sind jetzt Spekulationen», kontert Toni Häne, SBB-Leiter Personalverkehr, die Kritik der eigenen Leute. Barsch wischte er im Radio-Beitrag die Vorwürfe weg. Dafür sei jetzt nicht der Moment. Er sicherte lediglich zu, die Systeme jetzt ausserhalb des üblichen Turnus durchzuchecken.
Manuel Avallone (57) hält diese Reaktion der SBB-Spitze für skandalös. «Das Personal wurde von der SBB-Führung zu wenig ernst genommen», sagt der Vizepräsident der Eisenbahnergewerkschaft SEV: «Wir glauben jedenfalls den Zugbegleiterinnen mehr als den SBB-Verantwortlichen.»
Auch der SEV habe von seiner Basis erfahren, dass es mit den Türen immer wieder Probleme gebe – wenn deren Sensor falsch eingestellt sei, funktionierten sie nicht einwandfrei. Laut Avallone sind diese Probleme regelmässig gemeldet worden. Je nach Störung habe die SBB aber bis zum nächsten Wartungszyklus abgewartet. Der Gewerkschafter: «Das hat auch mit internen Prozessen zu tun. Die SBB haben in den vergangenen Jahren beim Unterhalt gespart.» Bis jetzt sei einfach nie ein tödlicher Unfall passiert. «Man nervte sich vielleicht einfach.» Die Dinge lägen nun aber anders.
Die SBB versichern gegenüber SonntagsBlick erneut, sämtliche Türen des Unfallwagen-Typs einer zusätzlichen Kontrolle zu unterziehen. «Sicherheit hat für die SBB immer oberste Priorität.»
* Name bekannt