Sogar Coop und Migros setzen auf rein pflanzliche Produkte
Vegan ist das neue Bio

Vegane Ernährung boomt. Sogar Migros und Coop bieten zahlreiche rein pflanzliche Produkte an. Und es sind die Fleischesser, die den Vegan-Trend antreiben.
Publiziert: 05.12.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 03:59 Uhr
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Vegane Köchin: Lauren Wildbolz, Autorin von «Vegan Kitchen And Friends», isst fleischlos, seit sie 14 ist. Heute lebt sie vegan.
Von Ulrich Rotzinger und Moritz Kaufmann

Leben ohne Tier im Essen.   Für die einen ist Veganismus eine Lebenseinstellung. Für die anderen ist die rein pflanzliche Ernährung und Bekleidung einfach nur ein gutes Geschäft. Sogar die beiden Grossverteiler Coop und Migros haben zahlreiche Marken lanciert, mit denen sie die wachsende Zahl von Vegan-Konsumenten abholen wollen. Coop bietet 13 verschiedene Tofu-Sorten an. 200 Produkte sind mit dem V-Label versehen, 100 davon sind vegan.

Bei der Migros sind rund 160 Produkte als vegetarisch deklariert, 85 davon eignen sich auch für Veganer. «Immer mehr Kunden wollen die vegane Küche probieren», sagt Sprecher Luzi Weber. Vegan werde zum Lifestyle – auch wegen Prominenter, die sich so ernährten. Dazu gehören etwa Schauspielerin Michelle Pfeiffer (57) und Sänger Bryan Adams (56).

Selbst Ikea Schweiz mischt mit. Seit Frühling serviert der Möbelhändler die fleischlose Variante Vegiballs seines Verkaufsschlagers Köttbullar.

Anhänger des Veganismus kommen komplett ohne tierische Produkte aus (siehe Grafik). «Ihre Nachfrage ist riesig, das Wachstumspotenzial ebenso. Ein veganes Sortiment ist deshalb nicht nur finanziell lohnenswert, sondern auch ein wichtiges Instrument, um sich von der Konkurrenz abzuheben», sagt Cristina Roduner (38), Sprecherin der Veganen Gesellschaft Schweiz (VGS).

Bettina Höchli (29) stützt Roduners Aussagen: «Vegan ist noch radikal. Damit kann man noch schockieren. Deshalb ist es attraktiv», sagt die Gesellschaftsforscherin am Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI). Wie damals der Bio-Hype, der nun von der Vegan-Welle abgelöst wird. «Bio hat einen Boom erlebt. Aber es ist dadurch auch verwässert. Vegan ist klarer, weil gewisse Dinge einfach nicht drin sind. Vegan ist das neue Bio», sagt Höchli.

Die Veganer-Gemeinde in der Schweiz wächst rasant. Laut VGS hat sich deren Zahl in den letzten zehn Jahren auf heute 80 000 vervierfacht. Die Zahl der Vegetarier hat sich in dieser Zeit knapp versechsfacht – auf gegen 500 000 Personen. Die Zahl der öfter einmal auf Fleisch verzichtenden Flexitarier beziffert Sprecherin Roduner auf rund 3,5 Millionen Menschen hierzulande. Tendenz steigend. 

Es sind die Fleischesser, die den Vegan-Trend antreiben. Das bestätigt Gastronom Daniel Frei (46): «Die Mehrheit, 75 Prozent, unserer Gäste sind Teilzeit-Vegetarier», sagt der Chef der populären und erfolgreichen vegetarischen Gastrokette Tibits. Er führt insgesamt acht Restaurants in Zürich, Basel, Bern, Luzern, Winterthur ZH und London. Bald kommen Zürich-Oerlikon und St. Gallen dazu, in Lausanne und Genf sucht man Standorte.

Sogar im deutschen Berlin, wo es hipp ist, Veganer zu sein, schaut man jetzt auf die Schweiz: Veganz, die erste vegane Supermarktkette Europas, will die Eidgenossen künftig mit tierfreier Ware beliefern: «Für das kommende Jahr 2016 konzentrieren wir uns vor allem auf die Ausweitung der Grosshandelsaktivitäten in Europa, insbesondere in der Schweiz», sagt Veganz-Sprecherin Michèle Hengst zu BLICK. Hierfür sei man in Verhandlungen mit ­einem Grossverteiler. Weder Coop noch Migros wollten auf Anfrage etwas dazu sagen.

Doch es ist klar, dass die Wirtschaft nicht mehr um die auf pflanzliche Ernährung ausgerichteten Kunden herumkommt – allein schon in finanzieller Hinsicht: «Veganer verschreiben sich ihrer Ernährungsweise sehr emotional. Sie sind deshalb bereit, mehr für entsprechende Produkte zu zahlen», sagt GDI-Forscherin Höchli.

Laut Prognosen nimmt die Nachfrage nach veganen Produkten stetig zu. «Vegan ist eindeutig: Die Welt wird in gut und schlecht eingeteilt. Das bietet Orientierung. Und gibt einem ein gutes Gefühl, wenn man so ein Produkt kauft», so Höchli.

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