Software-Dschungel beim Contact-Tracing – Gesundheitsexperte kritisiert
«Wir sind im Blindflug unterwegs»

Um Corona erfolgreich zu bekämpfen, ist ein optimaler Datenaustausch zwischen Bund und Kantonen wichtig. Bloss: Der Austausch funktioniert alles andere als optimal, weil jeder Kanton macht, was er will.
Publiziert: 15.10.2020 um 17:59 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2020 um 09:31 Uhr
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In Contact-Tracing-Centern wie hier in Zürich werden Corona-Infizierte erfasst. Die Kantone geben ihre Daten dann an den Bund weiter.
Foto: Nicolas Lurati

Daten. Sie sind die wichtigste Währung der Corona-Pandemie. Sie erzählen die Geschichte des Virus und wie erfolgreich es bekämpft wird. Wie viele Menschen sind infiziert? Wie viele hospitalisiert? Wie entwickeln sich die Kurven?

In der Schweiz werden auf kantonaler Ebene die Ergebnisse (Fallzahlen, Todeszahlen, etc.) gesammelt und an den Bund gesendet. Dieser fasst sie zusammen und kommuniziert an Arbeitstagen die wichtigsten Fakten. Nationale und kantonale Politiker beschliessen daraufhin Massnahmen, um die Pandemie einzudämmen.

«Software-Dschungel beim Contact-Tracing»

Es ist für die Bekämpfung des Virus deshalb bedeutsam, dass der Datenaustausch zwischen Bund und Kantonen so optimal wie möglich vonstattengeht. Bloss: Das Gegenteil ist der Fall.

Der Vergleichsdienst Comparis hat bei den Kantonen nachgefragt, wie der Datenaustausch passiert und kommt zum Schluss: «Beim Contact-Tracing herrscht ein Software-Dschungel».

Einer braucht noch Excel

Eine Richtlinie vom Bund für das Erfassen und Versenden der Daten gibt es nicht. Jeder Kanton macht deshalb, was er will. Einige haben sich teure Lösungen von unterschiedlichen Firmen gekauft, die den Prozess automatisieren sollen. Bloss sind diese nicht zwingend mit den Systemen des Bundes kompatibel. Ein Kanton setzt sogar noch auf Excel und hat kein Interesse daran, eine eigene Software zu beschaffen.

Die Folge: Anstatt Daten zu erfassen und direkt an den Bund zu senden, werden sie manuell eingetippt, per E-Mail weitergeleitet und von einem Mitarbeiter des Bundes wieder in ein System eingetragen. Die Fehlerquote ist so um ein Vielfaches grösser und es wird wahrscheinlicher, dass die kommunizierten Daten nicht stimmen.

Kommt hinzu, dass dadurch ein Austausch der Daten in Echtzeit verunmöglicht wird. Anstatt dass der Bund gleich weiss, wenn etwa in Genf eine Person infiziert ist, muss er warten, bis der Kanton dies meldet. Manche Kantone machen dies stündlich, manche mehrmals täglich, einer einmal pro Woche.

Unterschiedliche Informationen werden erfasst

«Eine zentrale Echtzeit-Übersicht über alle Daten würde einen uneinheitlichen, aufwändigen Informationsaustausch überflüssig machen und würde helfen, schneller ein besseres Bild über die Entwicklungen in der ganzen Schweiz zu haben», kritisiert Felix Schneuwly, Gesundheitsexperte von Comparis.

Doch auch bei den Kantonen, die dieselbe Software nutzen kommt es zu Wildwuchs. Laut Schneuwly weiss nämlich kaum ein Kanton, was seine Software kann. Als Folge erfasst jeder Kanton unterschiedliche Informationen. Eine genaue Lage-Beurteilung wird dadurch verunmöglicht.

Schneuwly fasst zusammen: «Das ist dramatisch. Denn so hilft der Appell des Bundesrates an die Selbstverantwortung der Bevölkerung gar nichts. Wir sind im Blindflug unterwegs». (vof)

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