Am 25. Februar hatte die Schweiz ihren ersten Corona-Infizierten. Seither wurde einiges unternommen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen: Grossveranstaltungen wurden abgesagt, die Eishockey-Saison abgebrochen, im Tessin gar der Notstand ausgerufen.
Doch BLICK-Recherchen zeigen nun: Die Massnahmen reichen nicht! Das Virus lässt sich durch die Massnahmen nicht stoppen, sondern verbreitet sich gleich schnell wie in den Nachbarländern Deutschland und Italien.
Italien hat nur mehr Fälle, weil es zuerst von der Corona-Welle heimgesucht wurde. Pro Tag werden in der Schweiz, in Italien und Deutschland zwischen 20 und 35 Prozent mehr Fälle gemeldet als am Tag zuvor. In totalen Zahlen bedeutet dies: Heute sind in der Schweiz 854 Personen infiziert. Hält das Wachstum an (für die Berechnung wird eine tägliche Wachstumsrate von 25 Prozent genommen), werden es diesen Sonntag über 1500 Fälle sein, in zwei Wochen haben wir mit 15'000 bis 20'000 Fällen das heutige Italien eingeholt, und in einem Monat haben sich in der Schweiz rund 700'000 Menschen infiziert.
In zwei Wochen könnten die Intensivbetten belegt sein
Ein Schreckensszenario, das die Schweizer Behörden unbedingt verhindern wollen. Denn: Auch wenn sich das Wachstum dem weltweiten Niveau (mit Ausnahme Chinas) von 20 Prozent annähern dürfte, wäre unser Gesundheitssystem schnell am Anschlag. Auf Nachfrage geht das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nicht auf die Hochrechnung ein, sagt aber, dass derzeit 13 Prozent der Fälle hospitalisiert werden und 5 bis 6 Prozent in die Intensivpflege müssen. In der Schweiz gibt es derzeit knapp 1000 sogenannte Intensive-Care-Units. Diese wären bei gleichbleibendem Krankheitsverlauf bei 20'000 Infizierten voll – also in etwa zwei Wochen.
«Prognosen gehen davon aus, dass es auch in der Schweiz zu einer drastischen Zunahme von Fällen kommen wird», sagt Prof. Dr. med. Christian Ruef, Facharzt für Infektiologie und Allgemeine Innere Medizin an der Hirslanden Klinik Zürich. «Unsere Welle hat nach Italien angefangen. Das Virus ist da und verteilt sich auf dramatische Art und Weise!» Es sei entscheidend, den Leuten klar zu machen, «dass jeder seinen Beitrag leisten muss. Auch die Jungen, die denken, dass das Virus für sie nicht gefährlich ist. Es geht jetzt um Solidarität.»
Die Faustformel: Ein Infizierter steckt zwei bis drei Menschen an
«Derzeit geht man davon aus, dass ein Infizierter zwei bis drei Personen ansteckt», sagt der Mediziner. «Es müssen Massnahmen getroffen werden, damit diese Zahl runtergeht.» Was Ruef meint, sind die Massnahmen, die das BAG seit Tagen predigt: Hände regelmässig mit Seife waschen, in die Armbeuge niesen, vor allem aber: Abstand zu anderen Menschen halten!
Social Distancing nennt sich die Massnahme, die helfen soll, die Epidemie einzudämmen. Das bedeutet Einschnitte in die persönliche Freiheit, weniger Reisen, weniger Geschäftsessen, mehr Homeoffice. Doch Social Distancing funktioniert. Studien vergangener Epidemien zeigen, dass es riesige Unterschiede zwischen den Orten gibt, an denen rasch Social Distancing praktiziert wurde, und solchen, wo es spät oder gar nicht eingeführt wurde. China hat deshalb sofort nach dem Corona-Ausbruch zuerst das Epizentrum Wuhan und danach die gesamte Region abgeriegelt. Folge: Nach rund zwei Wochen verlangsamte sich die Verbreitung, mittlerweile gibt es kaum mehr neue Corona-Fälle.
Ob die Schweiz in den kommenden Tagen und Wochen zu ähnlich rigorosen Massnahmen greift, ist noch unklar. Sinn machen würde es. Denn: Schon wenn das Wachstum in der Schweiz von 25 Prozent auf 20 Prozent pro Tag verlangsamt würde, wären in einem Monat nicht rund 700'000 Menschen, sondern nur rund 200'000 Personen infiziert.
Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Es ist davon auszugehen, dass die bisherigen Massnahmen des Bundes und die gesteigerte Aufmerksamkeit der Privaten das Wachstum bereits verlangsamen. Wie stark, wird sich in den Zahlen allerdings erst in einigen Tagen zeigen.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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