So schlugen sich die Akteure im Monsterprozess
Gut gemacht, Richter Aeschbach!

BLICK-Reporter Daniel Riedel begleitete in der letzten Woche den Rupperswil-Prozess in Schafisheim AG. So schätzt er die Arbeit der Hauptprotagonisten ein.
Publiziert: 16.03.2018 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:35 Uhr
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Er führte souverän durch den schwierigen Prozess: Richter Daniel Aeschbach.
Foto: Zvg
Daniel Riedel

Der Richter: Er hatte den schwersten Job und meisterte ihn formidabel. Richter Daniel Aeschbach (47) musste nicht nur ein gerechtes Urteil fällen, sondern auch einen regulären Prozessablauf gewährleisten. Er schaffte diesen Spagat. Durch seine ruhige und besonnene Art war er jederzeit Herr der Lage. Trotz des engen Zeitplans liess er sich nie aus der Ruhe bringen – auch nicht von manchmal hanebüchenen Ausflüchten des Angeklagten während seiner Befragung. Für Thomas N. hatte der Gerichtspräsident meist nur einen strengen Blick übrig. Die Fassungslosigkeit der Tat schmückte er nicht in juristische Worte, sondern nannte sie beim Namen: «primitiv, kaltblütig und krass egoistisch». Er liess Emotionen zu, ohne sich selbst von ihnen lenken zu lassen. Dennoch, die Wucht und Grausamkeit des Vierfachmordes liess auch ihn nicht kalt – besonders bei den Ausführungen der Opferangehörigen wirkte er tief betroffen. Am Ende merkte man auch ihm die Erleichterung an. Seine grösste Leistung: ein Urteil, nach dem niemand Skandal schreit – und mit dem die Angehörigen der Opfer leben können.

Er führte souverän durch den schwierigen Prozess: Richter Daniel Aeschbach.
Foto: Zvg

Die Staatsanwältin: Sie überraschte das Gericht mit einer mutigen Forderung: lebenslange Verwahrung für den Vierfachkiller! Staatsanwältin Barbara Loppacher (43) war vermutlich bei ihrem Plädoyer schon klar, dass dieser Schachzug nicht aufgehen würde. Sie kennt die Rechtslage nur zu gut. Dennoch zeigt sich in ihrem Strafantrag auch, wie die Staatsanwältin Thomas N. einschätzt. Als gemeingefährlich und äusserst manipulativ. In Nebensätzen zerlegte Loppacher die Lügen des Angeklagten, verwies angewidert darauf, dass sich Thomas N. von der schmalen Beute erst mal eine Designer-Jacke für 2500 Franken gönnte. Sie traute dem Angeklagten nie über den Weg – auch nicht seinem zurechtgelegten Geständnis. Man merkte, wie sehr sie auch die acht Handy-Videos vom sexuellen Übergriff auf Opfer Davin (†13) mitnahmen. Die Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft nahm sie zur Kenntnis – mehr nicht. Ihr war wichtiger, dass sie mit ihrem Plädoyer auch den Opfern eine Stimme gab. Auch eine ordentliche Verwahrung ist für sie ein grosser Erfolg.

Staatsanwältin Barbara Loppacher.
Foto: ENNIO LEANZA

Die Opferanwälte: Ihre Ausführungen rührten das Gericht zu Tränen. Sie waren das Sprachrohr der Angehörigen der Opfer, die oft nicht einmal die Kraft hatten, selbst dem Prozess gegen den Mörder ihrer Lieben beizuwohnen. Eindrücklich, wie sehr sie sich für ihre Mandanten ins Zeug legten. Ehrliche Entrüstung in ihren Repliken, als es galt, auf die diffamierenden Aussagen der Verteidigerin zu antworten. Dabei nahmen sie sich stets zurück, stellten ihr Ego nie in den Vordergrund. Das Unfassbare konnten sie während des Prozesses auch nicht greifen. Aber: Sie machten begreifbar, unter welchen Qualen die Angehörigen der Toten – und die potenziellen neuen Opfer – bis heute leiden.

In der Kritik: Renate Senn, amtliche Pflichtverteidigerin von Thomas N.
Foto: HO

Die Verteidigerin: Mit ihrer Kamikaze-Taktik verstörte Verteidigerin Renate Senn (47) nicht nur das Gericht. Bei den Angehörigen der Opfer sorgten ihre Ausführungen erst für ungläubiges Staunen, später für pure Fassungslosigkeit. Selbst ihrem Mandanten Thomas N. wurde es während des Plädoyers unwohl, er versteckte sich quasi hinter ihrem Rednerpult. Später verteidigte sie trotzig ihre Aussagen – Empathie für die Opfer suchte man vergeblich. Viel schlimmer: Mit versteckten Vorwürfen beschmutzte sie das Andenken an die vier Toten. Selbst der Richter rüffelte sie in seiner Urteilsbegründung. Ergebnis: Die Pflichtverteidigerin hat sich mit ihrem Mandat keinen Namen gemacht, sondern vielmehr ihrem guten Ruf geschadet.

Gutachter im Prozess: Prof. Dr. Elmar Habermeyer.
Foto: Ursula Markus

Die Gutachter: Bei beiden Gutachtern wurde man das Gefühl nicht los, dass sie dem smarten Angeklagten ein Stück weit auf den Leim gegangen sind. Der Zürcher Psychiater Elmar Habermeyer bezeichnete Thomas N. zwar als «krank», bezog sich dabei aber fast nur auf die gestörte Persönlichkeit und die Kern-Pädophilie des Angeklagten. Alles irgendwie therapierbar. Auch für den Aargauer Gutachter Josef Sachs war ein Gesamturteil über den Vierfach-Killer nur schwer zu fassen. Wiederholungsgefahr? Vorhanden. Sadismus? Eher nicht. Aber: Allein durch eine psychische Störung lasse sich das alles nicht erklären. Ihre Empfehlung: Erst mal in Therapie mit Thomas N. – der Rest werde sich dann schon zeigen. Irgendwann.

Hohe Strafe: Vierfachmörder Thomas N.
Foto: Zvg

Der Angeklagte: Für die Anklage war er eine «Blackbox», dechiffriert wurde sie vor Gericht nicht. Zu teilnahmslos sein Auftritt, zu berechnend seine Aussagen. Seine Kleidung war genauso gewählt wie seine Worte. Seine Motivation: Hier steht ein Saubermann, Sunnyboy, Schwiegermamas Liebling. Kein Killer, kein Sadist, kein Manipulator und Lügner. Alle anderen haben Schuld an der Wahnsinnstat, er selber nur ein bisschen. Echte Reue kam Thomas N. (34) nie über die Lippen, eine Entschuldigung erst am Ende – quasi auf Nachfrage. Sein Urteil nahm er regungslos zur Kenntnis. Den aufrichtigen Blick in die Augen der Angehörigen vermied er feige bis zum Schluss. Auch das lässt tief blicken.

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