So läuft das Sex-Business der Studentinnen
Tagsüber im Hörsaal, abends beim Sugardaddy

10'000 Studentinnen suchen auf einschlägigen Internet-Plattformen nach einem reichen älteren Mann. Treibt sie tatsächlich die Suche nach dem Luxus?
Publiziert: 31.12.2017 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2018 um 11:51 Uhr
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Gekaufte Intimität: Alter, reicher Mann mit junger, schöner Frau (Symbolbild).
Foto: Philippe Rossier
Sven Forster

Sugardating ist simpel: Ältere, wohlhabende Männer suchen junge Frauen, mit denen sie Zeit verbringen und gegebenenfalls auch Sex haben. Als Gegenleistung empfangen die Frauen teure Geschenke und Reisen – manchmal auch Bargeld.

Um die Vermittlung von Interessenten kümmern sich in der Schweiz mehrere Onlineportale. Wer nach Sugardating sucht, findet rasch Angebote: Mysugardaddy, seeking-arrangement, sugardaters oder richmeetbeautiful heissen einige dieser Plattformen. Auch Dating Apps wie Lovoo oder Badoo bieten entsprechende Sucheinstellungen an. Sugardaddys, Sugarmamas und Sugarbabys haben also die Qual der Wahl.

Dass die Onlinepartnersuche boomt, ist kein Geheimnis. Rund 1,2 Millionen Schweizerinnen und Schweizer suchten 2016 die Liebe im Internet.

Weniger bekannt ist, dass auch die Nachfrage nach gekauften Bezie­hungen wächst: Rund 250'000 Menschen nutzen bereits solche Angebote, teilt Mysugardaddy.eu mit, der grösste Anbieter in dieser Nische.

80 Prozent Frauen

In der Schweiz gibt es laut Schätzungen, die SonntagsBlick vorliegen, 38'000 User. Erstaunlich ist: Die Nutzerzahlen haben sich im vergangenen Jahr verdoppelt – 80 Prozent der registrierten Nutzer sind Frauen.

Für Daniel Balzer vom Singlebörsenvergleich.ch ist der hohe Frauenan­teil keine Überraschung: «Das ist in dieser Art Datingportal nicht unüblich.» Die Zahlen schätzt der Onlinedating-Fachmann als realistisch ein.

Max Lehmann, Mediensprecher von Mysugardaddy.eu, kann über die hohe Frauenquote nur Mutmassungen anstellen: «Wir denken, dass es eine Vielzahl von Frauen gibt, die sich mit diesem Lifestyle identifizieren können.» Denn Reisen, Shoppen und Ausgehen kosten viel Geld. Die meisten Frauen besässen das in jungen Jahre noch nicht, so Lehmann.

Die geringe Anzahl von Sugardaddys erklärt sich der Mediensprecher damit, dass die meisten Männer in diesem Alter bereits in einer Beziehung seien.

Neben dem hohen Frauenanteil sticht die wachsende Zahl registrierter Studentinnen ins Auge: Waren es 2014 erst etwa 2500, sind aktuell bereits über 10000 Studentinnen auf der Plattform aktiv.

Diese Zahl ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen: Das Unternehmen bezieht sich damit allein auf Angaben der Userinnen. Wulf Rössler, langjähriger Direktor der Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie der Universitätsklinik Zürich, ist ebenfalls skeptisch: «In unseren Sexworker-Studien gaben sich erstaunlich viele Frauen als Studentinnen aus.»

Die Frauen seien auch tatsächlich an Universitäten eingeschrieben gewesen – allerdings in Osteuropa. Es dürfte kein Zufall sein, dass auch die Mehrzahl der ausländischen Prostituierten in der Schweiz aus osteuropäischen Ländern kommt.

Dass Sugardating-Plattformen tatsächlich versuchen, möglichst viele Studentinnen auf ihre Homepage zu locken, zeigt das Beispiel der Plattform Rich and Beautiful. Anfang Dezember platzierte die Firma vor Schweizer Unis und Fachhochschulen mobile Werbeplakate. Darauf stand: «Hallo ­Studenten! Romantik, Leidenschaft, Mentoring und ein luxuriöser Lebensstil. Datet einen Sugardaddy/Sugarmama.»

Keine Negativreaktionen

Empört über diesen offenen Aufruf zur Prostitution hat sich bisher niemand. Die Fachhoch­schule Nordwestschweiz stellt auf Anfrage fest: «Wir haben bis heute keine Beschwerden erhalten.» Auch an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften gab es bisher keine negativen Rückmeldungen.

Für die Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wäre es allerdings kein Problem, würde sich eine steigende Anzahl ihrer Studenten ihr Geld durch Prostitution verdienen. Matthias Geering von der Uni Basel sagt: «Es ist Privatsache der Studentinnen und Studenten, wie sie sich das Studium finanzieren.»

Die Kommunikationsabteilung der Uni Zürich bläst ins gleiche Horn: «Was die Studierenden in ihrem Privatleben machen, liegt in deren Verantwortung.»

Auch wenn die Zahlen der Onlinevermittler zeigen, dass diese Art der sexuellen Dienstleistung boomt, bleibt es trotz allem eine Minderheit, die freiwillig in dieser Art der Prostitution tätig ist.

Wulf Rössler, Psychiater: «Solche Dienst­leistungen verharmlosen die Prostitution.»
Foto: EQ Images

Dennoch kritisiert Wulf Rössler die Sugardaters: «Sie verharmlosen die Prostitution.»

Überhaupt werde Sexualität heute als Handelsware angesehen. Das sei einer von mehreren Gründen, weshalb es immer schwieriger werde, Prostitution eindeutig zu definieren. «Die Grenzen zerfliessen stetig», so der Psychiater.

Eine Studie aus Dänemark stützte diese Aussagen im Jahr mit Daten ­einer Befragung aus dem 2015: Jeder fünfte Jugendliche hält demnach Sex gegen Geschenke für akzeptabel.

Für Wulf Rössler ist wichtig, dass man die Prostitution nicht verharmlost. «Es ist die Geldnot, die junge Frauen in die Prostitution treibt.» Dass sich Frauen wegen des damit verbundenen Lebensstils oder aus wirklicher Lust auf solche Dinge einlassen, komme selten vor.

Prostitution in der Schweiz in Zahlen

85 % der Prostituierten in der Schweiz sind Ausländerinnen.

5 % aller Männer zwischen 20 und 65 Jahren bezahlen regelmässig für sexuelle Dienstleistungen.

902 Bordelle gibt es in der Schweiz.

1 Milliarde Franken steuert die Prostitution zum Bruttoinlandprodukt bei.

85 % der Prostituierten in der Schweiz sind Ausländerinnen.

5 % aller Männer zwischen 20 und 65 Jahren bezahlen regelmässig für sexuelle Dienstleistungen.

902 Bordelle gibt es in der Schweiz.

1 Milliarde Franken steuert die Prostitution zum Bruttoinlandprodukt bei.

Psychiater Rössler ergänzt: «Dieses Gewerbe tut der Seele der betreffenden Frauen nicht gut.»

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