Es waren Sekunden, die unzählige Leben wohl für immer veränderten: Als die dreimotorige Ju-52-Maschine am Samstag um 16.57 Uhr auf die Westflanke des Piz Segnas kracht, sind 20 Menschen sofort tot. Crew und Passagiere der Oldtimer-Maschine, die eben noch einen schönen Ausflug ins Tessin genossen, sind nicht mehr. Von der einen Sekunde auf die andere.
Besonders schlimm: Die meisten der Angehörigen werden durch die Tragödie gleich doppelt getroffen. Denn in der «Tante Ju» mit dem Kennzeichen HB-HOT sassen acht Paare, die gemeinsam auf Erlebnisreise waren. Und deren tragisches Ende nun grosses Leid verursacht.
Firma in Wängi TG verliert ihre Chefs
Zu ihnen gehören Jacqueline* (†58) und Georg M.* (†61) aus Wängi TG. Das Ehepaar führte im Nachbardorf ein Unternehmen im Bereich Schweisstechnik. Nun hat das Unternehmen auf einen Schlag keine Chefs mehr. Denn während Georg die Schweiss-Werkstatt leitete, kümmerte sich Gattin Jacqueline im Hintergrund um das Administrative.
Die Verunsicherung beim Personal ist gross. «Wir hoffen, dass wir unsere Jobs behalten können. Denn die Firma lief gut», sagt eine Angestellte. Der tragische Tod ihrer Vorgesetzten macht die Frau fassungslos. Schliesslich zeigt sie BLICK ein Bild auf ihrem Handy.
Darauf zu sehen: Die Tragfläche der Unglücksmaschine, die eine eindrückliche Bergkulisse durchfliegt. «Dieses Bild hat mir Jacqueline A. noch am Samstag geschickt. Die Reise muss ihr sehr gefallen haben», erzählt die Frau. Es war das letzte Lebenszeichen, welches sie von Ehepaar M. erhielt.
Nun müssen die Hinterbliebenen schnellstmöglich die Firmen-Nachfolge regeln. Möglich, dass einer der Söhne in die Schweisser-Fussstapfen von Vater Georg tritt.
Grosse Trauer im Blumenladen Winkel ZH
Auch in Winkel ZH ist man geschockt: Seit drei Jahren führten Peter* (†50) und Brigitte K.* (†47) dort einen Blumenladen, pflanzten und verkauften seit 1994 die Weihnachtsbäume für den Ort.
Jetzt weist ein Schild vor dem Geschäftslokal auf das Ju-52-Drama hin: «Aus familiären Gründen bleibt der Laden für die nächsten Tage geschlossen.» Vor der Eingangstür liegt ein Blumenstrauss am Boden. «Ich kann kaum glauben, dass sie nicht mehr da sind», sagt ein Dorfbewohner, der am Laden vorbeiläuft, zu BLICK.
Die drei Kinder halfen schon vor dem Unglück stets tatkräftig im Geschäft mit. Sie müssen jetzt ebenfalls entscheiden, wie es weitergehen soll. «Wir sind zutiefst betroffen und werden die Angehörigen mit aller Kraft unterstützen», lautet das Versprechen aus dem Gemeindehaus von Winkel.
Ex-Journalist und Kanti-Lehrerin sassen in der Ju
Ein weiteres Paar war im Goldküsten-Dorf Erlenbach ZH daheim. Es handelt sich um den ehemaligen Journalisten Jürg D. (†71) und seine gleichaltrige Ehefrau Verena.
Das aktive Rentnerpaar genoss seinen Ruhestand in vollen Zügen. So galt D. unter seinen Freunden als leidenschaftlicher Motorradfahrer. Zusammen mit seiner Gattin unternahm er viele Touren auf seiner Harley Davidson.
Sie hatte als Gymnasiallehrerin gearbeitet und wirkte unter anderem an der Kantonsschule Zürich-Oerlikon. Jürg D. schrieb während 35 Jahren als Auslandredaktor der «Neuen Zürcher Zeitung» und galt als Spezialist für transatlantische Beziehungen. Vor seiner Frühpension im Jahr 2012 war er stellvertretender Ressortleiter.
Im Ruhestand widmete sich der Ex-Journalist einer neuen Leidenschaft: Unter dem Label «DDL» designte Jürg D. Modell-Skulpturen für Autoliebhaber – und schwärmte insbesondere für Oldtimer.
Schwyz trauert um beliebtes Metzger-Paar
In Schwyz SZ lebte das geschäftstüchtige Ehepaar D.*. René D. führte mit seiner Frau Martha während vieler Jahre eine Metzgerei.
Alle im Ort hätten den beiden noch viele glückliche Jahre gegönnt, sind tief bestürzt. «Es sind sehr liebe und gute Leute gewesen», kommentiert der Schwyzer Gemeindepräsident Xaver Schuler gegenüber «TeleZüri». In seiner Freizeit war René D. im Schiessverein aktiv und nahm regelmässig an Meisterschaften teil.
Weitere Paare lebten laut den Behördenangaben in den Kantonen Luzern, Zug und der Waadt. Und im niederösterreichischen Gablitz bestätigte der Bürgermeister gegenüber Lokalmedien, dass ein Mann aus dem Dorf unter den Ju-52-Opfern zu finden sei. Er hatte seine Eltern, die in der Nähe von Wien lebten, während der Reise in die Schweizer Sonnenstube begleitet.
Der Sohn war neben den insgesamt acht Paaren wohl der einzige Passagier, der den Unglücksflieger ohne Partner betreten hatte. Neben ihm waren nur die drei Mitglieder der Flugbesatzung ebenfalls «solo» unterwegs.
Crew hatte jahrzehntelange Erfahrung
Chefpilot Ruedi J.* (†62) flog mehr als 30 Jahre für die Swissair und später für die Swiss. Zuletzt war er Kapitän auf dem Airbus A330 und A340. Vor seinem Tod lebte er in einer schlichten Mietwohnung im Herzen von Münchwilen TG. Zusammen mit seiner langjährigen Lebenspartnerin A.M.*, die sich ebenfalls bei der Ju-Air engagiert.
Mit 943 Flugstunden gehörte er zu den erfahrensten Piloten, die mit der JU-52 für die kleine Rundflug-Airline ins Cockpit stiegen.
Sein guter Kollege, der zweite Pilot Peter M*. (†63), war ebenfalls viele Jahre Linienpilot und stand nach seiner Laufbahn bei Swissair und Swiss zuletzt bei Edelweiss im Einsatz. Der Vater von zwei Söhnen lebte vor dem Unglück mit seiner Frau in Ettenhausen, einem Teil der Gemeinde Aadorf TG.
Neben den Piloten J. und M. war Yvonne B.* (†66) aus Nürensdorf ZH als Flight Attendant für das Wohlergehen der Passagiere an Bord zuständig. Vor ihrer Pensionierung war sie als Crew-Disponentin bei der Swiss tätig. Sie war über 40 Jahre in der Branche tätig und hinterlässt ihren Lebenspartner.
* Namen der Redaktion bekannt
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