Im Jahr 2002 wurde an der ETH Zürich das Institut für Astronomie aufgebaut. Damit wurde ein britischer Professor F.* beauftragt, der auch gleich seine Partnerin M.* mitnahm. Damit begann am Hönggerberg eine Schreckensherrschaft, die 15 Jahre andauern sollte und nach wie vor nicht zu Ende ist.
Die «NZZ am Sonntag» berichtet, dass die Partnerin jahrelang Doktoranden mobbte. Sprechen will darüber fast niemand, zu gross sei der Einfluss des Paares. Sie sass in einem Gremium des Europäischen Forschungsrats. Er sitzt unter anderem im Forschungsrat des Schweizerischen Nationalfonds.
Frauen als «schwache Wesen» bezeichnet
Das Institut blühte unter der Leitung der beiden auf, unter anderem wurden zwei weitere Professuren dafür geschaffen. Doch M. soll ihre Machtposition ausgenutzt und dafür gesorgt haben, dass nur mit ihr klar kam, wer sich ihr beugte. «Sie hat alles bis aufs Kleinste kontrolliert, war misstrauisch und verlangte übermenschlichen Einsatz», sagte ein ehemaliger Doktorand der «NZZ». Eine ehemalige Postdoktorandin: «Schon eine vermeintlich falsche Körperhaltung ihr gegenüber konnte zu langen Diskussionen führen.»
Frauen sollen von M. als schwache Wesen bezeichnet und aufgefordert worden sein, weniger Zeit für Make-up und mehr für die Forschung zu verwenden. Männer und Frauen seien in ihrem Büro in Tränen ausgebrochen, mindestens eine Person habe psychologische Hilfe gebraucht. Wer gegen dieses Regime aufmuckte, wurde entlassen.
Abschlüsse deutlich unter dem ETH-Durchschnitt
Die Behandlung der Doktoranden zeigte Folgen: Ungefähr ein Drittel aller Doktoranden, die unter M. forschten, scheiterte. Das liege deutlich über dem Durchschnitt der ETH, schreibt die Zeitung. Auch viele Postdocs hätten aufgegeben, einige verliessen das Feld der Astronomie ganz. «Viele machten zu wenig wissenschaftlichen Fortschritt und hatten zu wenig Publikationen», erklärte eine Betroffene.
Bei der ETH bekam man von all dem offenbar nichts mit. «Es war bei uns nichts aktenkundig», teilt die Hochschule mit. Erst eine Doktorandin löste eine Lawine aus. Sie hatte sich gegen M. aufgelehnt, worauf ihr diese drohte, den Vertrag nicht zu verlängern, berichtet die «NZZ am Sonntag». Mithilfe von Ehemaligen sei es ihr gelungen, viele Vorfälle der letzten Jahre zu dokumentieren. Der Ombudsmann schritt ein, die Departementsleitung reagierte, und ETH-Präsident Lino Guzzella erklärte den Fall zur Chefsache.
Im Februar wurden die Doktorandin und ihre zwei Kollegen anderen Professoren zugeteilt. Die Massnahme soll sie schützen. Sprechen möchte sie nicht mit Journalisten. Sie fürchtet um ihre Karriere. Im August wurde das Institut aufgelöst, das Professorenpaar erhielt unabhängige Professuren, die anderen Professuren wurden dem Institut für Teilchenphysik angegliedert.
Lediglich ein Sabbatical - weil Guzella die Öffentlichkeit fürchtet?
Seit September befinden sich M. und F. in einem halbjährigen Sabbatical. Danach sollen sie ihre Tätigkeit an der ETH wieder aufnehmen, M. muss zusätzlich ein Coaching über sich ergehen lassen. «Wenn sie in Zukunft wieder Doktoranden anstellen will, werden wir sie dabei eng begleiten», sagte eine ETH-Sprecherin. Und zur Verteidigung der Professorin: «Es gab einige Forschende aus ihrer Gruppe, die eine erfolgreiche akademische Karriere gemacht und sich auch positiv über sie geäussert haben.»
Ob einige die Mehrzahl ist, darf in Frage gestellt werden. Auch, ob eine solche Person überhaupt je wieder an der ETH angestellt werden sollte. Die Konsequenzen muss ETH-Präsident Lino Guzzella tragen. Laut »NZZ» habe er sich mit den beiden auf diese Schritte geeinigt, weil er ein langwieriges arbeitsrechtliches Verfahren vermeiden wollte - auch weil dadurch der Fall öffentlich geworden wäre.
Wie die Zeitung aus «gut unterrichteten Quellen» erfuhr, sei die Situation nun aber doch nicht erledigt. Der Ombudsmann soll beim ETH-Rat, dem Aufsichts- und Kontrollorgan, interveniert haben. Im September befasste sich das Gremium ein erstes Mal mit dem Fall.
M. wollte sich gegenüber der «NZZ» nicht äussern. (vof)
* Namen der Redaktion bekannt