Die 53-Jährige hat am Dienstag vor dem Amtsgericht Konstanz gestanden, als «falsche Ärztin» Transporte von schwer kranken Patienten in Süddeutschland begleitet zu haben. Die Staatsanwältin verlangte für die vorbestrafte Frau eine unbedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten.
Die Angeklagte sagte nach der Urteilseröffnung, sie werde die Strafe annehmen. Ob die Staatsanwältin in Berufung geht, ist noch offen, wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte.
Nochmals eine Chance
Das Gericht sprach die «falsche Ärztin», wie die Medien die 53-Jährige nennen, am Nachmittag des Betrugs, der Urkundenfälschung, des Missbrauchs von Titeln und der illegalen Betätigung als Ärztin schuldig. Mit der Bewährungsstrafe wolle das Gericht ihr nochmal eine Chance geben, sagte die Richterin. Die Probezeit setzte das Gericht auf vier Jahre fest. Während dieser Zeit wird Frau von Bewährungshelfern begleitet und muss innerhalb einer Woche melden, wenn sie ihren Wohnort wechselt.
Zu Beginn der Verhandlung am Dienstagmorgen gestand die 53-Jährige, dass sie Urkunden gefälscht habe, um im Herbst 2012 einen Job als Ärztin bei einer Firma für Rettungstransporte in Konstanz zu bekommen.
Am Bodensee flog sie auf
Die gelernte Krankenschwester arbeitete dort sieben Monate lang als freiberufliche Ärztin und begleitete im sogenannten Intensiv-Mobil Verlegungen schwer kranker Patienten von einer Klinik zur anderen. Bevor im Sommer 2013 das zur gleichen Gruppe gehörende Herz-Neuro-Zentrum am Bodensee die «falsche Ärztin» fest anstellen konnte, flog der Betrug auf.
Die Klinik kündigte der Hochstaplerin. Zu einer polizeilichen Befragung der damals in Kreuzlingen TG wohnhaften Frau kam es nicht, weil sie untertauchte. Sie liess sich auf einem Kreuzfahrtschiff als Krankenschwester anstellen und entzog sich so vorerst der deutschen Justiz.
Auf Bauernhof statt an Uni
Laut der Staatsanwältin gefährdete die Angeklagte, die inzwischen in Berlin lebt, schwer kranke Menschen. «Es war nur Zufall und Glück, dass es keine Zwischenfälle oder sogar Todesopfer gab», sagte sie. Die Frau habe eine hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt und sei vorbestraft - unter anderem, weil sie sich bereits früher als Ärztin ausgab und im Auftrag von Kliniken Gutachten erstellte.
Die Angeklagte appellierte ans Gericht, ihr nur eine Strafe auf Bewährung zu geben. Sie wolle als Ärztin arbeiten, werde deshalb aber nie wieder eine Straftat begehen, versprach sie. «Ich weiss, dass ich dazu fähig bin», sagte die Frau, die gemäss ihren Angaben vor Gericht kein Abitur machen konnte, weil sie als ältestes von fünf Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof helfen musste.
Die Reifeprüfung habe sie vor einigen Jahren nachgeholt. Nun wolle sie unbedingt Medizin studieren, sagte die 53-Jährige. Wegen des Konkurses eines privaten Altersheims, das sie zusammen mit einem ehemaligen Partner führte, habe sie Schulden von 500'000 Euro. «Nur wenn ich weiterhin arbeiten kann, kann ich das Geld zurückzahlen», sagte die Angeklagte.
Zahlreiche Arbeitsorte in der Schweiz
Wie der «Tages-Anzeiger» aufdeckte, arbeitete die ausgebildete Anästhesie-Schwester vor der Anstellung in Konstanz mehrere Jahre lang in der Schweiz. Wenn die Verantwortlichen der Kliniken in den Kantonen Aargau, Zürich und Zug Zeugnisse verlangten, habe sie jeweils gekündigt.
Obwohl das Bundesamt für Gesundheit (BAG) bereits im September 2012 von einem Arzt aus Zurzach über den Fall informiert worden war, arbeitete die «falsche Ärztin» weiter. Das BAG habe das Spital aus rechtlichen Gründen nicht informieren dürfen, sagte ein Sprecher damals.
Nach einer Strafanzeige des Zuger Spitals im November 2012 nahm die Zuger Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Frau auf. Das Verfahren wurde inzwischen an Deutschland abgetreten, wie Judith Aklin, Kommunikationsverantwortliche der Zuger Polizei, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. Zuständig ist nun die Staatsanwaltschaft Berlin, wo die Frau zur Zeit wohnt. (SDA)