Service public pfui
In Vitznau ist die Post Weggis

Wegen «Defiziten» zog sich die Post aus dem 1300-Seelen-Dorf Vitznau zurück. Darunter leiden nun Kleinunternehmen und Hotels. Sie haben zusätzliche Kosten und Mehraufwand.
Publiziert: 04.06.2016 um 22:30 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:28 Uhr
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«Weil wir hier auch keine Bank haben, muss ich Bargeldgeschäfte nun ausserorts erledigen.» Linus Gutknecht, Hotelier
Foto: STEFANO SCHROETER
Anian Heierli

Verärgert knallt Gallus Bucher (65) einen Brief von Doris Leuthard (53) auf den Tisch. Im Schreiben hält die Verkehrsministerin fest, dass sich der Bundesrat nicht ins operative Geschäft der Post einmische. Diese schloss im März die Schalterstelle in Vitznau LU. Wegen «Defiziten».

Bucher wehrte sich heftig gegen den Abbau, demonstrierte vor dem Bundeshaus, sammelte Unterschriften und appellierte an Politiker. Doch seine Bemühungen waren für die Katz. Der Kleinunternehmer spürt den Entscheid nun täglich am eigenen Leib. Der Besitzer einer Druckerei mit vier Angestellten gibt unter anderem die lokale Wochenzeitung heraus – und kämpft jetzt mit Mehraufwand: «Meine Pakete fahre ich täglich ins fünf Kilometer entfernte Weggis. Das kostet Zeit, Kraft und Geld.»

Er fühle sich auf den Arm genommen. Seine Druckerei zahlt der Post für ihre Dienstleistungen jedes Jahr 60'000 Franken. «Ich werde deshalb als Grosskunde bezeichnet», sagt er. «Das heisst, meinen Umsatz rechnet man in Bern ab. Würde er über Vitznau verbucht, wäre ein Schalter hier sicher rentabel.» Der Drucker steht deshalb voll und ganz hinter der Service-public-Initiative.

Auch Hotelier Linus Gutknecht (46) schreibt Ja auf den Stimmzettel. Er nervt sich über den Rückzug der Post aus Vitznau: «Weil wir hier auch keine Bank haben, muss ich Bargeldgeschäfte nun ausserorts erledigen.» Die anderen Hoteliers an der Rigi seien ebenso empört.

Als Ersatz für den fehlenden Schalter werden kleinere Pakete heute im örtlichen Volg aufgegeben. «Die dafür nicht ausgebildeten Verkäuferinnen sind überfordert», sagt Gutknecht. «Es entstehen Wartezeiten und es mangelt an Diskretion.» So sah der Hotelier an der Kasse auch schon zufällig, wer im Dorf eingeschriebene Briefe erhält.

Frieda O’Connor (67) vermisst vor allem Gespräche mit Bekannten: «Für mich war der Postschalter auch Treffpunkt.» Mit der Schliessung sei ein Stück Leben im Dorf verschwunden. Die Inhaberin des Souvenirladens Steglimärt hat eine klare Meinung zur Post: «Eigentlich müsste es ein Geben und Nehmen sein. Doch für die Post ist es heute nur noch ein Nehmen.» Ihr Ja steht fest.

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