Trotz Ablehnung der Volksinitiative «Pro Service public» will sich der Bundesrat der Debatte über die Ausgestaltung des künftigen Service public nicht verschliessen. Die Unternehmen mahnte Bundesrätin Doris Leuthard, unzufriedene Kunden ernst zu nehmen.
Der Bundesrat selbst ist daran, die Situation bei bundesnahen Unternehmen wie Swisscom, Post und SBB zu prüfen, wie Leuthard am Sonntag in Bern vor den Medien sagte. Es gehe um die Frage, ob im Rahmen der Umsetzung der Initiative «gegen Abzockerei» eine Stärkung der Eignerrechte angezeigt sei.
Das Volk habe mit seinem Nein zur Initiative mit verführerischem Titel politische Reife gezeigt, stellte Leuthard fest. Die Unternehmen müssten die Art, wie sie ihre Leistungen der Grundversorgung anböten, der heutigen Zeit anpassen. Die Initiative hätte ihnen die Mittel dazu weggenommen.
«Die Politiker haben zu lange weggeschaut», sagte Peter Salvisberg vom Initiativkomitee auf Anfrage. Trotz der deutlichen Niederlage wertet er die Volksinitiative deshalb als Erfolg. Damit sei eine wichtige Diskussion angestossen worden.
Angesichts der «riesigen Propagandaschlacht» wäre ein Sieg nach Ansicht von Salvisberg einer Sensation gleichgekommen: «Wir hatten alle Parteien und Verbände gegen uns.»
Das Nein zur Initiative wird von allen Parteien einhellig begrüsst. Die Stimmbevölkerung sei nicht bereit, mit dem «hervorragenden» Service public Experimente einzugehen, schreibt das gegnerische Komitee stellvertretend in einer Mitteilung.
Trotz des klaren Resultats ist für die Parteien und Verbände die Diskussion um einen «guten» Service public nicht vom Tisch. Dabei verstehen alle etwas anderes unter «gut».
Der Gewerbeverband sgv sieht das Abstimmungsergebnis als Signal für weitere Liberalisierungsschritte. So soll das Restmonopol der Post für Briefe bis 50 Gramm aufgehoben werden. Zudem müsse die SBB ungelöste Probleme wie den mangelhaften Zustand der Infrastruktur in den Griff bekommen, schreibt der Verband.
Hängig ist im Parlament auch eine Motion des Zürcher FDP-Ständerats Ruedi Noser. Er fordert, dass der Bund nicht mehr Mehrheitseigner der Swisscom sein muss.
Für die SP ist aber klar: Mit dem heutigen Votum seien Privatisierungsbestrebungen für die nächsten Jahre vom Tisch. «Die Menschen wollen einen starken Service public, der durch den Staat kontrolliert wird», sagte die SP-Ständerätin Géraldine Savary (VD).
Handlungsbedarf ortet die Linke vielmehr bei den «überrissenen» Managerlöhnen. Gewerkschafter und SP-Nationalrat Corrado Pardini kündigte einen Vorstoss an, mit dem er die Chefgehälter bei SBB, Swisscom & Co. auf eine halbe Million Franken beschränken will.
In dieser Frage erhält die Linke überraschend Unterstützung von bürgerlicher Seite: «Die Spitzenlöhne der bundesnahen Betriebe müssen langfristig wohl angepasst werden», räumt der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri ein.
SBB-Verwaltungsratspräsident Ulrich Gygi ist gegen politischen Aktivismus. «Die Löhne dürfen nicht begrenzt werden», sagte er der Nachrichtenagentur sda. Gygi räumt aber ein, dass die Chefsaläre der Bevölkerung gut erklärt werden müssten.
«Das ist eine Bringschuld der bundesnahen Betriebe.» Er habe deshalb auch Verständnis für die Menschen, welche die Initiative unterstützt hätten. Ob konkreter Handlungsbedarf bestehe, liege letztlich in der Entscheidung des Bundesrates und der Verwaltungsräte der betroffenen Unternehmen.
Insgesamt zeigt das Nein zur Initiative aus Sicht von Fluri aber, dass der Service public gut funktioniere. «Grundsätzlich gibt es keinen Handlungsbedarf.»
Die Grünen hingegen wollen die stark steigenden Preise im öffentlichen Verkehr ins Auge fassen. CVP und SVP legen ihr Augenmerk auf die Randregionen. Deren Bewohner müssten auch in Zukunft auf eine gute, zuverlässige und pünktliche Grundversorgung zählen können, schreibt die SVP.
Skeptisch betrachten die Initianten die Versprechungen der Politik. «Wir werden den Politikern genau auf die Finger schauen», sagt Peter Salvisberg. Den Service public wollen die Initianten für die Konsumenten weiterverfolgen.
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