Im Bunker zwischen Stacheldraht und Baumwurzeln, Erde und Beton, oberhalb von Brülisau AI lebte ein Mensch. Hier hauste Sepp Manser (80).
Die Kantonspolizei fand seine stark verweste Leiche heute vor einer Woche. «Nach längerem Suchen», so die Polizei. In der «illegal erstellten Behausung».
Illegal mag sie gewesen sein. Ohne Baubewilligung. Aber in Brülisau wusste jeder von Sepp, dem Waldmenschen.
In seinem Reich im Unterholz hatte der ehemalige Knecht bis auf fliessendes Wasser fast jeden Komfort. «Er hatte sogar eine Art Bett, ein Lager», sagt Roland Koster von der Innerrhoder Kantonspolizei.
Das Waldstück, auf dem Sepp Manser lebte, gehört seinem Bruder Franz. «Sepp hat 1962 oder 1963 mit dem Bau begonnen. Ganz plötzlich», sagt der pensionierte Bauer.
Damals gehörte das Land noch den Eltern. Sepp ist der älteste Sohn. Er hatte fünf Schwestern, fünf Brüder.
Als Knecht gearbeitet
«Sepp hat nie eine Lehre gemacht. Früher arbeitete er als Knecht. Dann lange als Mechaniker in einer Appenzeller Kiesgrube, später bei einem Elektrogeschäft», sagt Franz Manser. «Er konnte alles flicken. Den Hausfrauen von Brülisau hat er jede Kaffeemaschine wieder zum Laufen gebracht. Er war ein Genie.»
Verheiratet sei er auch gewesen. «Aber das war nur für kurze Zeit», erinnert sich Franz.
Sepp Manser flickte sich auch seinen Bunker zusammen. Etappenweise. «Im Oktober 1977 zügelte Sepp ins Waldhaus. Ab dann wohnte er halt einfach dort», sagt der Bruder.
«Ich selber war nie in seinem Haus. Ich hab nur hin und wieder mein Holz dort oben kontrolliert.»
Weshalb wurde Sepp zum Waldmenschen? «Das weiss ich auch nicht», sagt Franz Manser. «Ich wollte nichts davon wissen.»
Familienzwist um Erbschaft
Ein Erbstreit entzweite die Familie. Franz bekam das Elternhaus, riss es ab, baute ein neues hin.
«Die anderen Geschwister hätten die Liegenschaft gern gehabt, auch Sepp. Aber sie konnten mich nicht erpressen», sagt Franz.
Seit 1997 habe er kein Wort mehr mit Sepp gewechselt. «Ich sah ihn oft durchs Fenster. Eigentlich ist es schade, dass wir uns nie mehr verstanden haben. Aber er hatte den Willen dazu nicht.»
In der «Behausung» fand die Polizei auch Sprengstoff, in einer gemieteten Werkstatt Revolver und Pistolen. Ein Schild soll bis vor kurzem sogar von einer Selbstschussanlage gewarnt haben, heisst es in Brülisau.
«Er war ein lieber Mensch»
«Sepp war kein komischer Einsiedler. Er war ein lieber Mensch, sicher nicht gefährlich», sagt Esther Inauen (53), Wirtin des Restaurants Schäfli in Steinegg AI. Dort kehrte Sepp Manser täglich ein.
«Wir hatten ihn gern. Jeder wusste, dass er im Wald wohnt. Das gehörte halt zu ihm», sagt Inauen. «Wir vermissen ihn sehr.»
Sepp Manser starb laut der Polizei eines natürlichen Todes. Er lag «einige Wochen» unentdeckt in seinem Haus.
«Ich hätte nie erwartet, dass er so gehen muss», sagt sein Bruder Franz. «Es tut mir leid. Ich bin sehr traurig.»