Sektenführerin Uriella (86) ist seit Jahren ein Phantom. Niemand bekommt sie zu Gesicht, sogar Gerüchte über ihren Tod machten schon die Runde.
Gestern dann plötzlich ein Lebenszeichen des selbsternannten «Sprachrohrs Gottes»: In einem handschriftlichen Text an BLICK setzt sie sich für den Berner Bubenschänder Beat Meier (69) ein. «Mein lieber Sohn Beat gehört nicht in die Strafanstalt Pöschwies», liess sie im Namen von Jesus Christus verlauten. Doch: Stammt diese Forderung wirklich aus Uriellas Feder? Oder ist die vermeintlich Heilige schon längst im Jenseits?
Sektenexperte Georg Schmid (75) ist sicher: «Sie lebt. Die krakelige Schrift im Brief ist von Uriella. Oder zumindest von jemandem, der sie perfekt imitieren kann.» Zum abgehobenen Wortlaut («Auf das, was Gott zu uns sagt, ist 100 % Verlass!») sagt Schmid: «Typisch Uriella! Andere Abschnitte aus dem Brief klingen eher nach Uriellas Gatte Icordo.»
Der Ehemann (75) leitet das Tagesgeschäft der Sekte Fiat Lux – er ist quasi Uriellas CEO. Georg Schmid: «Icordo klingt jeweils eher wie ein Anwalt.» Der Brief könnte also von Uriella und ihrem Ehemann gemeinsam verfasst worden sein. Dafür spricht: Im Brief sind zwei unterschiedliche Handschriften erkennbar. Schmid: «Ich gehe von einer Co-Produktion von Uriella und Icordo aus.»
Der Experte steht in Kontakt mit ehemaligen und aktuellen Mitgliedern von Uriellas Orden. Die Zürcherin ist seit Jahren gelähmt und braucht intensive Pflege. «Sie wird von den verbleibenden Sektenmitgliedern gepflegt», so der Religionswissenschaftler. Der innere Zirkel von Fiat Lux bekommt die angeschlagene Ikone regelmässig zu Gesicht. «Man könnte ihr Ableben wohl nicht lange verheimlichen, da sich der ganze Orden nur um ihre Person dreht», so Schmid.
Nur einer hätte ein Interesse daran, Uriellas Tod zu verheimlichen: Göttergatte Icordo. Ohne Uriella fällt die Sekte auseinander. Schmid: «Seine Position als Leiter der Gemeinschaft hängt von Uriella ab. An ihrer Seite ist er der Anführer, der Vorkämpfer von Gottes Stosstrupp auf Erden. Ohne Uriella ist er nichts.»
Obwohl die Sekte auf einen kleinen, harten Kern geschrumpft ist, rollt der Rubel weiter. Bestseller: energetisch aufgeladenes Wasser. Schmid: «Uriella bezeichnet es als ‹Apotheke Gottes›. Dabei ist in den Präparaten nichts als Salz, Wasser und viel Fantasie.» Zu Spitzenzeiten soll sie mit ihrem sogenannten Zauberwasser Zehntausende Franken verdient haben – pro Tag!
Dieser Umsatz wird heute wohl nicht mehr erreicht, und Uriella ist unsichtbar. Wieso macht sie durch einen Auftritt nicht endlich Schluss mit den Gerüchten um ihren Tod? Der Grund ist wohl ein medizinisches Problem am Kiefer, das lange unbehandelt blieb. Georg Schmid: «Insider sagen, dass sie sichtbare Spuren davongetragen hat und dem öffentlich bekannten Bild von Uriella nicht mehr entspricht.»