Der erste Säugling, der in der Schweiz in ein Babyfenster gelegt wurde, ist mittlerweile volljährig. Die Institution wurde vor 20 Jahren ins Leben gerufen, um Müttern in extremen Notsituationen eine Möglichkeit zu geben, ihr Kind anonym in sichere medizinische Obhut zu übergeben. So soll verhindert werden, dass Neugeborene irgendwo deponiert oder gar umgebracht werden.
Stolz zeigt Tabitha Bender (35), Projektleiterin bei der Stiftung Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK), auf eine Grafik und erklärt: «Seit der Eröffnung des Babyfensters gab es deutlich weniger Kindesaussetzungen und Kindstötungen.» Laut der Stiftung hat die Zahl um 70 Prozent abgenommen.
Manche Mütter legen einen Brief bei
Insgesamt 27 Kinder wurden in sechs Schweizer Babyfenstern abgegeben, in den Einrichtungen in Davos GR und Bellinzona TI lagen bislang noch keine Findelkinder. «Etwa die Hälfte der Mütter hat sich nach Abgabe bei uns gemeldet, von der anderen Hälfte kennen wir die Identität nicht», so die vierfache Mutter.
«Viele Frauen legen einen Brief bei, wenn sie das Neugeborene ins Fenster legen. Bei manchen ist das eine persönliche Nachricht an das Kind, andere wiederum schreiben nur ein paar Angaben wie beispielsweise das Geburtsdatum oder den Namen auf.» Und manche Bébés würden auch ganz ohne ein Schreiben abgegeben.
Sechs Babys sind wieder bei ihrem Mami
Das Babyfenster versucht alle Mütter zu ermutigen, sich zu melden. «Den Frauen drohen keine rechtlichen Konsequenzen. Das Babyfenster ist legal, und bis ein Jahr nach Abgabe kann das Kind noch zurückverlangt werden. Erst danach wird die Adoption abgeschlossen», führt die 35-Jährige aus. «Es ist sehr gut, wenn sich die Frauen melden, damit wir ihnen bei der Bewältigung ihres Traumas helfen können. Und so können wir auch mit ihnen schauen, ob vielleicht doch ein Leben mit Baby möglich ist.»
Sechs Säuglinge hätten so wieder mit ihrer Mutter vereint werden können, darunter auch Camille P.* (40) und ihre kleine Victoire (zehn Monate). Solche Happy Ends seien besonders schön anzusehen: «Für mich ist das ganz ein besonderer Moment.»
* Name geändert