Corona tangiert alle Bereiche des persönlichen Alltags. Doch nicht nur das Leben ist heute anders als noch vor einem Jahr. Die Pandemie verändert auch das Sterben grundlegend. Seelsorger Franz Zemp (55) bekommt das hautnah mit. Der Leiter der katholischen Pfarrei Maihof in Luzern erzählt BLICK von seinen Erfahrungen, die teilweise unter die Haut gehen.
So auch im Lockdown im Frühjahr. «Ein Mann im mittleren Alter lag im Spital im Sterben», so Zemp. «Er hatte Krebs. Wegen der Ansteckungsgefahr durch Covid-19 durfte ihn seine Mutter aber nicht besuchen, da sie als Rentnerin zur Risikogruppe gehörte.» Zwar habe sie dann doch noch eine Sonderbewilligung erhalten. Nur leider war es zu spät, denn zeitgleich starb ihr Sohn. Die beiden konnten sich nicht mehr voneinander verabschieden.
Angehörige müssen gestaffelt ans Sterbebett
Heute sind Besuche am Sterbebett mit Einschränkungen wieder möglich. Dennoch sind Umarmungen und Berührungen nicht erlaubt. Und die Angehörigen müssen gestaffelt (alleine oder in kleinen Gruppen) ans Sterbebett. Zemp steht hinter den Vorsichtsmassnahmen. Die Regeln sind für ihn dennoch schwierig. «Der persönliche Bezug und die Gemeinschaft fehlen», sagt er. Das beobachtet er jeweils auch an Trauerfeiern.
Gottesdienste gibt es noch. Private und öffentliche Veranstaltungen sind untersagt. Beisetzung sind möglich. Doch die Obergrenze liegt in Luzern zurzeit bei 50 Personen. Während des Lockdowns lag sie noch tiefer, bei zehn. «Ausnahmen gab es damals für Grossfamilien», sagt Zemp. «Ich weiss aber auch von einem Todesfall, bei dem die Angehörigen entscheiden mussten, wer kommen durfte und wer nicht. Das ist eine grosse zusätzliche Belastung.»
Abschied nehmen ist wichtig
Für viele Hinterbliebene sei der Abschied ein wichtiger Teil der Trauerarbeit. Deshalb findet er es grundsätzlich schade, wenn in Traueranzeigen steht, dass die Beerdigung «im engsten Familienkreis stattfindet.» Er erklärt, dass Freunden und Bekannten so die Möglichkeit fehle, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Gerade von Senioren der Risikogruppe hört er oft den Satz: «Ich wäre gerne an die Beerdigung gegangen. Doch ich muss zu Hause bleiben.»
Schon vor Corona fanden Abdankungen vermehrt im engsten Familienkreis statt. Der Tod wird in der Schweiz zur Privatsache. Laut Zemp könnte die Pandemie diese Entwicklung vorantreiben. «Ich sehe die Tendenz, dass Sterben in unserer Gesellschaft zum Tabu wird», sagt er. Weshalb dem so ist, weiss er nicht. Der Pfarreileiter hat aber eine Vermutung: «Der technische und medizinische Fortschritt vermitteln uns das Gefühl, wir hätten alles im Griff. Der Tod führt uns das Gegenteil vor Augen.» Deshalb würden ihn einige wohl verdrängen.