Schweizer Tiere zeigten ihren siebten Sinn
Büsi Lenali (7) wusste, dass das Beben kommt

Wir Menschen nehmen Naturereignisse erst wahr, wenn sie passieren. Nicht so die Tiere. Auch gestern spürten viele Vierbeiner schon vor dem Beben, dass etwas ansteht.
Publiziert: 07.03.2017 um 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:18 Uhr
Verkroch sich vor dem Beben in den oberen Stock: Büsi Lenali.
Foto: ZVG
Roman Rey

Hunderte Menschen sind gestern Abend hochgeschreckt: Die Erde bebte –  scheinbar ohne Vorwarnung. Denn viele unserer tierischen Freunde wussten zu dem Moment bereits Bescheid.

So auch Lenali (7), die Katze von Susanne Cangero aus Mels SG, rund 30 Kilometer vom Epizentrum entfernt. Die Katze schläft wie jeden Abend gemütlich rücklings auf dem Sofa, als sie plötzlich hochschreckt und auf ihre Füsse springt. «Mit grossen Augen starrte sie in den Raum», sagt Cangero gegenüber des St. Galler Radiosenders «Toxic FM».

Lenali hält einen Moment inne und rennt dann zum Fenster. «Die Rollläden waren unten», sagt Cangero zu BLICK, «sie starrte einfach ins Leere.» Danach rennt die Katze blitzschnell in den oberen Stock des Hauses – nach wenigen Momenten beginnt die Erde heftig zu schütteln. «So ein starkes Beben habe ich hier noch nie erlebt», sagt Cangero. Lenali offenbar auch nicht. Erst nach einer Stunde wagt sich die Katze wieder zurück ins Wohnzimmer.

Unruhe schon eine Stunde vor dem Beben

Auch Jacqueline Jäggi, die in Matt GL eine Tierpension führt, stellte bei ihren Tieren ein merkwürdiges Verhalten fest – und das mehr als eine Stunde vor dem Beben. «Mein Hund wollte um acht Uhr einfach nicht nach draussen. Normalerweise freut er sich immer auf seinen Spaziergang», sagt Jäggi zu BLICK. Auf dem Hof wohnen auch elf Lamas. Diese hätten den ganzen Abend im Stall verbracht, obwohl sie normalerweise draussen übernachten.

In Enneda GL auf dem Hof von Fritz Waldvogel-Kamm, dem Präsidenten des Glarner Bauernverbandes, herrschte gestern Abend Ausnahmezustand. «Die Rinder waren beim Futtern um sechs Uhr abends sehr unruhig, sie tigerten herum. Wir konnten es nicht zuordnen», sagt der Bauer zu Radio Energy. «Um neun Uhr wussten wir dann, warum.»

Das Frühwarnsystem der Tiere

Dass Tiere offenbar einen siebten Sinn für Naturereignisse haben, ist bekannt. In Mittelitalien gab es letzten Oktober ein schweres Beben. Eine halbe Stunde vor der Katastrophe bellten und heulten Hunde in der Region laut und anhaltend. «Es war beeindruckend», berichteten Zeugen.

Vor einem starken Beben im Jahr 1976, bei dem im norditalienischen Friaul Tausende Menschen starben, krochen Mäuse aus dem Boden, und Stalltiere gerieten in Panik. Als der Yala-Nationalpark in Sri Lanka im Jahr 2004 von einem Monster-Tsunami überflutet wurde, fand man keine Tierleichen. Die Elefanten waren ins Landesinnere geflüchtet.

Der Verhaltensforscher Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut in Radolfzell (D) bewies, dass Tiere als Frühwarner dienen können: Er stattete Ziegen an den Hängen des Vulkans Ätna zwei Jahre lang mit Sendern aus. Es gab in der Zeit sieben grössere Vulkanausbrüche. Die Auswertung zeigte: Bei jedem waren die Tiere schon Stunden vorher unruhig und flüchteten unter Büsche oder Bäume.

Wie dieser siebte Sinn funktioniert, darüber rätseln Forscher schon lange. Einer Theorie zufolge hat es etwas mit der Luft zu tun, die sich vor Erdbeben verändert. So können Tiere die Beben riechen. Offenbar können sie Erschütterungen durch Infraschall auch rechtzeitig fühlen.

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