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Schweizer Männer werden unfruchtbar
Bund greift wegen Sperma-Krise ein

Die Qualität der Spermien in der Schweiz lässt nach. Nun will der Bund herausfinden, ob das an Schadstoffen liegt, mit denen wir täglich in Berührung kommen. Die gross angelegte Untersuchung startet im Herbst.
Publiziert: 25.05.2019 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:04 Uhr
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Schweizer haben besonders schlechte Spermien. Das sorgte diese Woche für Furore.
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Thomas Schlittler

Schweizer haben besonders schlechte Spermien. Die Nachricht sorgte in dieser Woche für Furore. Kaum ein Medium, das nicht über die brisanten Studienergebnisse der Universität Genf berichtete.

Unter die Lupe genommen hatten die Forscher die Sper­mienqualität bei rund 2500 wehrpflichtigen Schweizern zwischen 18 und 22 Jahren. Bewertet wurden die Konzentration der Samenfäden, ihre Beweglichkeit sowie das Aus­sehen, die sogenannte Morphologie.

Bei fast zwei Dritteln der Untersuchten (62 Prozent) lag mindestens einer dieser Kennwerte unter der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegten Norm.

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Spermienqualität in kritischem Zustand

Das bedeutet nicht, dass diese Männer auf natürlichem Weg keine Kinder zeugen können. Doch der Reproduktionsbio­loge Alfred Senn, der an der Studie mitgearbeitet hat, warnt: «Die Zahlen deuten darauf hin, dass die Spermienqualität der jungen Männer in der Schweiz in einem kritischen Zustand ist und dass ihre künftige Zeugungsfähigkeit höchstwahrscheinlich beeinträchtigt sein wird.» Peter Fehr (60), Leiter einer Reproduktionsklinik in Zürich, pflichtet ihm bei: «Die Zahlen sind beunruhigend».

Auch im internationalen Vergleich schneiden Schweizer Spermien gemäss den Autoren der Studie schlecht ab. Zudem schliessen die Forscher aus den Ergebnissen, dass die Sper­mienqualität – wie auch in anderen Industrieländern – über längere Zeit abgenommen hat.

Auch dem Bundesamt für Gesundheit ist dies nicht verborgen geblieben. Auf die Frage von SonntagsBlick, was man tue, um das Spermaproblem anzugehen, sagt Sprecher Daniel Dauwalder: «Das BAG plant ein Pilotprojekt zum sogenannten Humanbiomonitoring. Dabei soll untersucht werden, ob und in welchem Umfang die Bevölkerung mit Schadstoffen belastet ist, um allenfalls Massnahmen im Gesundheitsbereich zu treffen und Stoffe einzuschränken.»

Welche Einfluss hat die Umwelt?

Die Spermienqualität wird im Wesentlichen von vier Faktoren beeinflusst: die von den Vorfahren vererbten Gene, das Verhalten der Mutter während der Schwangerschaft, der eigene Lebenswandel sowie Umwelteinflüsse, denen man in der Regel unbewusst und unfreiwillig ausgesetzt ist.

Zum letzten Punkt liegen relativ wenige Erkenntnisse vor, und genau deshalb will das BAG mehr darüber erfahren. Das Bundesamt möchte herausfinden, was die Chemikalien, mit denen wir täglich in Berührung kommen, in unserem Körper bewirken.

Ob Reinigungsmittel, Farben, Kosmetika, Lebensmittel, Möbel oder Plastikwaren – beim Gebrauch all dieser Produkte können via Lunge, durch den Magen-Darm-Trakt oder über die Haut Chemikalien in unseren Körper gelangen. Abhängig von deren Konzentration und spezifischen Eigenschaften können ne­gative Auswirkungen auf das Nerven-, Immun-, und Hormonsystem auftreten, also auch die Fruchtbarkeit negativ beeinflusst oder die Entwicklung des Fötus beeinträchtigt werden.

Projekt startet mit 1000 Personen

Das Projekt startet im Herbst. 1000 Personen aus der Deutschschweiz und der Romandie werden innert eines Jahres zur Teil­nahme eingeladen. In diesem Zeitraum suchen sie für eine einmalige Gesundheitsuntersuchung ein Studienzentrum auf, geben dort Blut- wie Urinproben ab und beantworten Fragen zu ihrer Gesundheit und ihrem Lebensumfeld. Falls die Pilotphase positive Resultate zeigt, kann die Studie bis auf 100'000 Teilnehmende ausgeweitet werden.

In der Romandie wird die Universität Lausanne das Projekt durchführen, in der Deutschschweiz hat das Schweizerische Tropen- und Public-Health-Institut die Federführung.

«Ursprünglich hätte das Projekt bereits vor einigen Monaten starten sollen», sagt BAG-Sprecher Dauwalder. Diverse Abklärungen und Vorbereitungsschritte hätten aber deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen als ursprünglich gedacht. Unter anderem waren Fragen im Zusammenhang mit dem Datenschutz zu klären.

Viele Kunststoffe mit hormonähnlichen Wirkungen

Bruno Imthurn (63), Leiter des Kinderwunschzentrums am Universitätsspital Zürich, ist als kritischer Geist bekannt. Im Gegensatz zu den meisten seiner Berufskollegen ist er vorsichtig mit Aussagen zu einem Rückgang der Zeugungsfähigkeit. Imthurn sagt: «Vergleiche mit der Vergangenheit und anderen Ländern sind mit Vorsicht zu geniessen. Denn die Methodik hat über die Zeit variiert. So wissen wir nicht, wie es mit der Spermienqualität in der Schweiz vor 50 oder gar 100 Jahren stand.»

Doch sogar Imthurn ist überzeugt, dass man die Frage ernst nehmen muss: «Es gibt durchaus Zeichen, dass viele Kunststoffe, die hormonähnliche Wirkungen haben und sich in Riesenmengen in unserer Umwelt befinden, zu einer Abnahme der Fruchtbarkeit führen – und zu anderen gesundheitlichen Problemen.»

Der angesehene Reproduktionsmediziner kritisiert, dass viele Produkte, die seit Jahren auf dem Markt sind, nicht auf ihre Schädlichkeit überprüft werden. Als Beispiel nennt er PET-Flaschen: «Auch wenn mit den leichten Plastik­flaschen im Vergleich zu den schweren Glasflaschen Erdöl gespart werden kann, ist Mineralwasser aus der Glasflasche möglicherweise besser für unsere Gesundheit und Fruchtbarkeit als aus der PET-Flasche.»

Imthurn begrüsst deshalb das Engagement des Bundes. «Es ist extrem wichtig, dass die Forschung in diesem Bereich intensiviert wird.»

Um die Spermien stehts schlecht
1:25
Rückgang wegen Rauchen, Pestiziden, Chemikalien usw.Um die Spermien stehts schlecht
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