Schweizer Forscher beunruhigt
Gletscher schmelzen in Rekordtempo

Die Gletscher sind in diesem Sommer so stark geschmolzen wie noch nie seit Messbeginn. Die ersten Erkenntnisse des Schweizerischen Gletschermessnetzes (GLAMOS) sind «extrem und besorgniserregend».
Publiziert: 11.09.2022 um 12:27 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2022 um 13:34 Uhr
Im September stellte ein Forscher-Team der ETH Zürich an den höchsten Stellen des Griesgletschers im Wallis einen Verlust von vier Metern und von fast sieben Metern Dicke am unteren Ende der Gletscherzunge fest.
Foto: JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Anfang September auf dem Griesgletscher in den Walliser Alpen: Matthias Huss, der Direktor von GLAMOS, zeigt auf eine Gletscherspalte, in der bereits der Fels zu sehen ist. Dies ist kein gutes Zeichen. Huss steht nicht zum ersten Mal an dieser Stelle, aber diesmal ist es anders, «dramatisch», wie er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erzählte.

«2022 bricht alle Rekorde»

Wie schon seit mehreren Jahren besuchen der Glaziologe der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und sein Team auch in diesem Sommer rund 20 Gletscher in der Schweiz, um das Ausmass der Gletscherschmelze zu messen.

Ein vollständiger Bericht ist für den Herbst geplant, aber die Trends sind schon jetzt klar: «In anderen Jahren wie 2011, 2015, 2018 oder 2019 gab es bereits eine sehr starke Schmelze, aber 2022 ist wirklich anders und bricht alle Rekorde», stellt Huss fest und spricht von «extremen und beunruhigenden» Ergebnissen.

Um eine Bilanz zur Gesamtmasse und zum Gesundheitszustand der Gletscher zu erstellen, besucht das Wissenschaftsteam zweimal im Jahr die Gipfel der 20 Gletscher. Eine erste Messung erfolgt jeweils im April, um herauszufinden, wie viel Schnee auf dem Gletscher liegt.

«Diese Schicht ist wichtig, weil sie den Gletscher während der Sommermonate ernährt und schützt», erklärt Huss. Eine zweite Messung erfolgt im September, um herauszufinden, wie der Gletscher während des Sommers reagiert hat.

Kleine Gletscher sind «dem Untergang geweiht»

Bereits im April war Huss klar, dass die warme Jahreszeit hart sein würde, als er und sein Team die dünne Schneeschicht auf dem Griesgletscher sahen. Im Juli ist diese auf 3000 Metern vollständig geschmolzen und der Gletscher hat bereits an Masse verloren.

Im September stellte das Team einen rekordverdächtigen Verlust von vier Metern an den höchsten Stellen des Gletschers fest: Das sei zwei- bis dreimal so viel wie in anderen Jahren und damit aussergewöhnlich.

Dasselbe gilt für den Findelgletscher oberhalb von Zermatt. Dieser schmolz auf einer Höhe von 3400 Metern um zwei Meter, obwohl in dieser Höhe bisher bis in den Sommer hinein immer genug Schnee lag. Auf dem Corvatsch-Gletscher im Kanton Graubünden ist sogar so viel Eis geschmolzen, dass dieser nicht mehr gemessen werden kann.

Es sei schwer, diese Veränderungen zu beobachten, sagt Huss. Gletscher reagierten sehr langsam, und die aktuellen Befunde spiegelten das wider, was vor 20 oder 30 Jahren geschehen sei. Insofern seien die kleinen Gletscher bereits «dem Untergang geweiht».

Ein Drittel könnte gerettet werden

Dennoch will der Glaziologe nicht ganz schwarz malen für die Zukunft. Wenn die Menschheit jetzt reagiere und die im Pariser Abkommen vorgesehenen Massnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad einhalte, sei es noch möglich, ein Drittel der derzeitigen Masse der grössten Schweizer Gletscher zu retten. (SDA)

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