Kinder, manche erst fünf Jahre alt: Sie arbeiten auf Baumwollfeldern in Burkina Faso. Sie jäten, säen und ernten. Sie verletzen sich beim Hantieren mit der Hacke und werden von Schlangen gebissen. Eine grosse Zahl der rund 250'000 Kinder leidet ausserdem an Hautausschlägen, Atemproblemen und Augenleiden, weil Pestizide ohne Schutzkleidung gespritzt werden. Sali (15) sagt: «Seit ich elf Jahre alt bin, spritze ich Chemikalien. Es schmerzt und juckt mich in den Augen, wenn ich damit arbeite.»
Auf dem Feld ist auch der 17-jährige Sayouba, dessen Traum es ist, Polizist zu werden. Seit er fünf ist, arbeitet Sayouba. Im Gegensatz zu vielen anderen Kindern geht er zwar zur Schule, wegen der ermüdenden Arbeit ist er aber im Rückstand gegenüber den gleichaltrigen Kameraden. Seit er vor drei Jahren damit begonnen hat, Pestizide zu spritzen, hat er Probleme beim Atmen. Sayouba hofft, dass seine Eltern die Baumwolle erfolgreich verkaufen können, damit sie Geld für seine Behandlung haben. Denn ein Polizist mit Atemproblemen – das geht nicht. Sayouba macht sich da keine Illusionen.
Kredit für Pestizide, Dünger und Saatgut
Das alles sind Ergebnisse einer Studie, die im Auftrag der Entwicklungsorganisation Solidar Suisse erhoben wurde. Der Bericht dazu wird heute veröffentlicht.
Solidar-Suisse-Mitarbeiterin Fabienne Widmer war selber in Burkina Faso, hat die Kinder gesehen, die auf den Feldern fernab jeder Strasse den ganzen Tag bei hohen Temperaturen arbeiten. Sie weiss, dass die Bauern oft so arm sind, dass sie Saatgut, Dünger und Pestizide auf Kredit beziehen. Und zwar von den gleichen Firmen, denen sie nach der Ernte die Baumwolle verkaufen. Das vorgeschossene Geld wird vom Erlös abgezogen. Zwar haben die Bauern einen garantierten Abnahmepreis pro Kilo – doch dieser ist tief. Fällt die Ernte schlecht aus, kann es sein, dass die Bauern nichts verdienen.
Es gibt einen Grund, weshalb Solidar Suisse Daten zum Ausmass der Kinderabeit auf Baumwollfeldern in Burkina Faso erhoben hat: Die Möglichkeit, das Leben der Kinder zu verbessern, liegt hier in der Schweiz.
Kinderarbeit nehme man extrem ernst
Die Schweiz gehört zu den wichtigsten Umschlagplätzen von Baumwolle weltweit. Der grösste Baumwollhändler der Welt hat eine Niederlassung in Genf – die Louis Dreyfus SA, ein Milliardenkonzern.
Kinderarbeit nehme man extrem ernst, heisst es bei Louis Dreyfus SA auf Anfrage. Man sei sich aber keiner Verfehlungen bewusst, sonst würde das mit den Lieferanten vor Ort besprochen.
Ein anderer wichtiger Player im globalen Baumwollgeschäft ist die Reinhart AG in Winterthur ZH. Eine Traditionsfirma, vor allem bekannt dafür, mit ihren Stiftungen in der Schweiz viel Gutes zu tun. Auch die Reinhart AG ist ein wichtiger Abnehmer von Baumwolle aus dem westafrikanischen Land.
Geschäftsführer Rolf Stahel betont gegenüber SonntagsBlick, das Thema sehr ernst zu nehmen. «Wir arbeiten fortlaufend mit unterschiedlichen Organisationen daran, die Situation in Bezug auf Kinderarbeit zu verbessern.» Beide Firmen verweisen auf Nachhaltigkeits- und Bildungsprogramme vor Ort, die sie unterstützen.
Schule statt Arbeit auf dem Feld
Tobias Meier ist Textilexperte der Nachhaltigkeitsfirma Ecos. Sein Fachgebiet seit über 20 Jahren: Bio-Fairtrade-Baumwolle. Für Meier ist klar, dass die Schweiz im globalen Baumwollgeschäft mehr Verantwortung übernehmen müsse. «Firmen wie die Reinhart AG haben die Macht, Kinderarbeit in Burkina Faso zu bekämpfen.» Denn ein zentraler Punkt im Kampf gegen Kinderarbeit sei eine gerechte Entlöhnung der Kleinbauern.
Daran arbeitet Meier. In verschiedenen Ländern hilft er, Strukturen für fair produzierte Biobaumwolle aufzubauen. Die Auswirkungen für die Bauern sind gross: Eine Familie in Burkina Faso beispielsweise verdient über den Baumwollanbau rund 235 Franken pro Jahr – mit Bio-Fairtrade erhält sie 50 Franken mehr für ihre Ernte. Mit diesem Geld können die Bauern ihren Kindern das Schulgeld bezahlen und sind nicht auf ihre Mithilfe angewiesen, um die Kosten beim Anbau möglichst tief zu halten, so Meier.
Letztlich stünden aber nicht nur die Firmen, sondern auch jeder Konsument in der Verantwortung. Textilexperte Tobias Meier: «Wer BioFairtrade-Baumwolle nachfragt, trägt damit direkt zu mehr Gerechtigkeit im globalen Handel bei.»
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