Schweizer Energiekonzerne kämpfen ums Überleben
Darum gehts mit dem Strom bachab

Die Schweizer Stromwirtschaft schreibt tiefrote Zahlen. Um sich über Wasser zu halten verhöckern die Unternehmen nun alles, was sich zu Geld machen lässt.
Publiziert: 08.03.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 03:50 Uhr
Ulrich Rotzinger

In der Schweizer Stromwirtschaft geht es zu und her wie beim Räumungsverkauf eines vor der Pleite stehenden Unternehmens: Tiefrote Zahlen, es wird rausgehauen, was sich irgendwie noch zu Geld machen lässt.

Beispiel Alpiq: Der Stromriese mit Sitz in Olten SO und Lausanne läutete gestern den Ausverkauf seiner Stauseen ein. Fast die Hälfte ihrer Schweizer Wasserkraftwerke will Konzern-Chefin Jasmin Staiblin (45) verscherbeln, damit ihr Konzern nicht absäuft. Darunter bekannte Bauwerke wie Grande Dixence im Wallis, Zervreila ob Vals GR oder Blenio TI. Wie hoch die Alpiq ihre Beteiligungen bewertet, verschweigt der Konzern. Eingestehen muss Staiblin, dass sie derzeit keine Rendite abwerfen.

Die Durchschnittskosten der Anlagen liegen bei 6,5 Rappen je Kilowattstunde – und dies bei einem Marktpreis von derzeit 2,8 Rappen. «Zwei Drittel der Kosten sind nicht beeinflussbar», so Staiblin. Der Ausverkauf hat ein Ziel: Die Abhängigkeit von den Preisen im Grosshandel zu reduzieren.

Alpiq ist in grosser finanzieller Not. Der Energiekonzern hat im vergangenen Jahr einen Umsatzeinbruch von 17 Prozent auf 6,7 Milliarden Franken erlitten und einen Verlust von 830 Millionen Franken eingefahren. Im Vorjahr betrug der Verlust bereits 902 Millionen. 2013 stand zwar ein Mini-Gewinn von 18 Millionen in den Büchern. Im Jahr zuvor kletterte der Verlust allerdings über die Milliardengrenze.

Seit der Amtsübernahme 2013 macht Staiblin nur eines: Restrukturieren und das Tafelsilber verhökern, um wieder flüssig zu werden. Der Alles- muss-weg-Maxime fallen nicht nur Schweizer Wasserkraft­werke zum Opfer, sondern etwa auch französische Gaskraftwerke und die Alpiq-Anteile am Netzbetreiber Swissgrid.

Künftig können sich auch die Aktionäre ihre Alpiq-Dividenden ans Bein streichen. «Der Verzicht auf die Dividendenausschüttung und die Zinszahlung auf die Hybridanleihe für die Konsortialaktionäre ist eine grosse Überraschung», schreibt die Zürcher Kantonalbank. Weil die Dividende seit Jahren nicht erwirtschaftet werde, hätte der Stopp der Auszahlung schon viel früher kommen müssen.

Bei Axpo, dem zweitgrössten Stromkonzern hinter Alpiq, müssen die Besitzerkantone schon seit mehreren Jahren auf eine Dividende verzichten. In ihrem letzten Geschäftsjahr nahm die Axpo einen Abschreiber von 1,2 Milliarden Franken vor. Im Jahr davor waren es 1,5 Milliarden.

Das grosse Branchenproblem heisst Deutschland. Weil die Nachbarn den europäischen Markt mit hoch subventioniertem Solar- und Windkraftstrom fluten, sind und bleiben die Preise im Keller, ist der Strom aus Wasserkraft und Kernenergie unrentabel. Hinzu kommt der starke Franken. «Oberste Priorität hat die Sicherstellung unserer Kapitalmarktfähigkeit», gibt Alpiq-Finanzchef Thomas Bucher (49) zu Protokoll. Übersetzt heisst das: Die Konzernpleite muss abgewendet werden! Dabei ist offenbar Mithilfe vom Staat gefragt. Die Kernkraftwerke «sollen in einer Auffanggesellschaft zusammengefasst und einem staatlichen Eigner übergeben werden», heisst es in einem Lobby-Konzept von Alpiq. Das weckt böse Erinnerungen an die Rettung der UBS.

Alpiq braucht Flüssiges

Onur Ogul

Sie glänzen tiefblau, sind der Stolz unserer Alpen. Doch jetzt stehen die Stauseen vor dem Ausverkauf. Der Stromriese Alpiq braucht Flüssiges, um seine Verluste abzufedern.

Zu den Alpiq-Wasserkraftwerken gehören etwa Grande Dixence im Wallis, Zervreila im Graubünden oder Blenio im Tessin. Insgesamt sind elf Speicherkraftwerke, fünf Flusskraftwerke und ein Pumpspeicherkraftwerk betroffen. Sie erbringen eine Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt.

Trotz der Verkaufsabsichten steht Alpiq-Chefin Jasmin Staiblin (45) weiterhin zur Wasserkraft, wie sie versichert: «Sie ist der Hauptpfeiler der Energiezukunft unseres Landes.»

Rolf Wüstenhagen (45), Experte für erneuerbare Energien an der Universität St. Gallen, schätzt: «Vor allem Schweizer Energieversorger, Pensionskassen und Fonds könnten Interesse an den Wasserkraftwerken haben.» Ein Verkauf ins Ausland sei zwar ebenfalls denkbar. «Doch auch wenn sich etwa die Chinesen in anderen Ländern sehr interessiert an Infrastruktur-Investitionen zeigten, ein Verkauf ins Ausland scheint unwahrscheinlich», so der Stromexperte. «Die Wasserkraft ist in der Schweiz ein zu emotionales Thema.»

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Die Alpiq Kraftwerke in der Schweiz.
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