Die Säuli im Stall von Meinrad Pfister (51) sind erst ein paar Tage alt und werden von ihrer Mutter mit lautem Grunzen verteidigt. «Sie mögen es nicht, wenn sich jemand an ihren Jungtieren zu schaffen macht», weiss Pfister und muss sich vor der aggressiven Muttersau in Sicherheit bringen.
So oder so: Nach vier Wochen werden die Jungtiere von ihrer Mutter getrennt und gemästet. Nach etwa einem halben Jahr kommen sie dann in den Schlachthof. Am Ende landen die herzigen Säuli etwa als Terra-Suisse-Cervelat im Kühlregal der Migros. Pfisters Betrieb in Altishofen LU mit rund 1000 Tieren ist ein sogenannter Label-Betrieb. Im Vergleich zu anderen Zuchtbetrieben ist er eher gross. «Klar, wir sind kein Biobetrieb, aber unsere Tiere leben viel besser als in Massentierhaltungen in Deutschland oder Dänemark», sagt Pfister, der gleichzeitig Präsident des Branchenverbandes Suisseporcs ist.
Nachhaltige Landwirtschaft
Würde die Zukunftsvision einer nachhaltigen und tiergerechten Produktion von Greenpeace Schweiz Realität, dürfte es Ställe wie den von Meinrad Pfister in Zukunft nicht mehr geben. In einer 80-seitigen Studie, durchgeführt von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), zeigt Greenpeace ihre Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft für das Jahr 2050 auf. Die Umweltorganisation leistet damit einen Beitrag zur laufenden Vernehmlassung der künftigen Agrarpolitik des Bundes. Kern des Greenpeace-Vorschlags ist eine massive Reduktion der Viehzucht zur Fleischproduktion. Vor allem Schweine- und Geflügelzucht sollen fast auf null reduziert werden.
Denn die Mast zur Fleischproduktion setzt den Anbau von Futtermitteln wie Mais oder Soja voraus – die werden heute vor allem aus dem Ausland importiert. Als Folge davon falle bei den Schweine- und Hühnerzuchtbetrieben viel Gülle an. Das darin enthaltene Nitrat verseucht das Grundwasser, Ammoniak verpestet die Luft.
Deshalb schlägt Greenpeace vor: Statt zum Anbau von Futtermitteln würden Agrarflächen in der Schweiz nur noch für den Anbau von Getreide und Gemüse verwendet. Ihr Anteil würde von heute 38 auf 53 Prozent steigen. «Das Ackerland würde in Zukunft zur Ernährung der Bevölkerung genutzt», erklärt Philippe Schenkel von Greenpeace Schweiz.
«Nahrungsmittel sollen dort produziert werden, wo die Ressourcen vorhanden sind»
Der übrige Teil des landwirtschaftlichen Nutzlandes würde als Weide für die Zucht von Milchkühen und Kälbern verwendet. Folgen der Umstellung: Die Emission von Treibhausgasen würde um ein Drittel reduziert, die Stickstoffbilanz mehr als halbiert. Und: Rund 380'000 Hektar Ackerland könnten an die Natur zurückgegeben werden.
Doch die radikale Vision einer nachhaltigen Landwirtschaft hat auch einen Nachteil: Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit Lebensmitteln würde von heute rund 50 Prozent auf etwa 40 Prozent sinken. «Nahrungsmittel sollen dort produziert werden, wo die Ressourcen vorhanden sind», erklärt Schenkel.
Die Schweiz solle sich auf ihre Stärken konzentrieren: den Anbau von hochwertigen pflanzlichen Lebensmitteln und die Milchwirtschaft.
Meinrad Pfister sieht die Landwirtschaft der Zukunft auch ökologischer und tiergerechter. Die Vision von Greenpeace werde jedoch aus einem Grund nicht Realität, so Pfister: Wenn nicht in der Schweiz produziert, dann werde halt Fleisch aus dem Ausland importiert.
Im Vergleich zu den 80er-Jahren hätten die Schweizer Schweinezüchter ihre Produktion bereits nachhaltiger gestaltet. Natürlich gehe die Entwicklung weiter. «Wir wollen gutes Fleisch, das hierzulande hergestellt wird», so Pfister. «Doch senken wir die Produktion noch weiter, deckt der Konsument seinen Bedarf einfach durch Billigfleisch aus dem Ausland.»