Am liebsten würde er alles rückgängig machen. «Es ist sehr bedauerlich, was passiert ist», sagt Martin A.* (52) aus Visp VS kleinlaut zu BLICK. Doch: Was der Seelsorger getan hat, ist nicht nur gottlos, sondern auch verwerflich.
Als Vormund plünderte er das Konto seines geistig behinderten Mündels (33) – fünfeinhalb Jahre lang! Er hatte als Beistand Zugriff auf dessen Bankkonto: Über 400 Mal bediente er sich am Guthaben. Insgesamt sackte der Seelsorger 252 341.05 Franken ein. Dann war das Konto leer.
Zum ersten Mal am 23. Juni 2008: Da war Martin A. gerade zweieinhalb Wochen als Beistand eingesetzt. An einem Bancomaten in Visp bezog er an diesem Tag 600 Franken. Am Tag darauf hob er 1500 Franken ab. Die letzte Abbuchung datiert vom 29. November 2013.
Die Viertelmillion nutzte er für private Zwecke. Am Montag sass der Seelsorger für seine Taten vor Gericht und wurde wegen qualifizierter Veruntreuung und Urkundenfälschung schuldig gesprochen. Die Strafe: 24 Monate Haft bedingt – mit einer Probezeit von vier Jahren. Laut «Walliser Bote» sprach der Richter in seiner Urteilsbegründung von «vorgespielter Gottesgläubigkeit» und «Skrupellosigkeit».
Martin A. findet spät zur Kirche. Er studiert 2001 in Freiburg Theologie – mit 38 Jahren. Erst nachdem sein Architekturbüro in den 90er-Jahren an einem Bauprojekt scheiterte und in Konkurs ging. Danach arbeitete er für die katholische Kirche als Katechet und Jugendseelsorger. In der Gemeinde und bei den lokalen Medien war er ein wichtiger Ansprechpartner bei Glaubensfragen. Niemand ahnte, was Martin A. hinter seiner pastoralen Maske trieb. Keine Beichte. Nirgendwo.
Gegenüber BLICK sagt der Seelsorger: «Ich hoffte die ganze Zeit, dass mich jemand stoppt. Doch die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde liess sich so leicht täuschen und vertrösten.»
Der Hauptgrund seien seine Geldprobleme gewesen. «Ich bin in die Schuldenfalle geraten. Ich habe 1993 einen Fehler gemacht und musste Konkurs anmelden. Da hat alles begonnen», sagt er. Eines steht für ihn schon jetzt fest: «Ich nehme meine Schulden mit ins Grab.»
Pikant: Martin A. war bereits Beistand des Zwillingsbruders seines Opfers. «Nur hatte ich keinen Zugriff auf die Konten», sagt der Seelsorger. Anders beim späteren Opfer. Martin A. kommt in Versuchung: Der Vater seines Mündels war verstorben – und es gab ein Konto mit mehreren Hunderttausend Franken. Der Seelsorger: «Es ist dann einfach passiert. Ich kann nicht mehr sagen warum. Ich hatte vor, alles zurückzuzahlen.»
Schlimm: Der Gottesmann verbrauchte nicht nur das gesamte Vermögen des Mündels, er bezahlte auch dessen Rechnungen nicht. Der behinderte Mann wird jetzt für 150 000 Franken betrieben.
* Name der Redaktion bekannt
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