Die Tische sind poliert, das Parkett frisch versiegelt und die Teppiche gereinigt. Im Hotel Restaurant Rössli in Stansstad NW hat man genug von der Zwangspause. Es ist 6.15 Uhr morgens. Wirtin Shila Christen (30) misst noch einmal die zwei Meter Abstand zwischen den Tischen, wischt überall mit dem Desinfektionstuch und schliesst die Türe auf.
«Wir freuen uns extrem über die Neueröffnung», sagt sie zu BLICK. «Ich bin gespannt, wie viele Gäste heute kommen und was die Zukunft bringt.» Sie bleibt realistisch: «Wir wissen nicht, wie sich das mit dem Virus entwickelt. Schlimmstenfalls müsste man ja wieder schliessen.» Ihr Onkel Hans-Georg Borchard (83) hilft bei der Eröffnung. «Endlich fängt das Leben wieder an», sagt er. «Ich habe keine Angst. Die Leute sind doch zu vorsichtig. Das schadet nur den Jungen, die arbeiten.»
Der pensionierte Zimmermann gehört im Rössli zum Inventar. Er macht Botengänge, holt die Post und erledigt handwerkliche Arbeiten. Schnell wird deutlich: Das Restaurant ist ein Familienbetrieb. Shila führt das Rössli zusammen mit ihrer Schwester Angela (36) in der vierten Generation. Das Handwerk lernten sie von ihrem Vater Hans (65), der auch noch immer mit anpackt.
Gast Breisacher (55) kommt seit 38 Jahren – Tag für Tag
«Das Restaurant war unsere Kinderstube», sagt Angela und lacht. Stammgast Theo Breisacher (55) erinnert sich: «Ich hütete Angela und Shila noch. Seit 38 Jahren bin ich fast täglich hier.» Auch jetzt nach dem Lockdown ist er einer der Ersten, die kurz nach 7 Uhr hier sind. «Endlich wieder mit Freunden einen Kafi trinken», sagt er. «Das hat mir so gefehlt.» Sein Kollege Fredy Odermatt pflichtet bei und sagt: «Jetzt müssen wir die Wirtschaft ankurbeln!»
Finanziell steht das Rössli trotz Corona gesund da. Vater Hans sagt: «Der Betrieb gehört uns. Da fällt die Miete weg.» Doch er zeichnet ein schwarzes Bild für die Zukunft der Schweizer Gastronomie: «Möglich, dass jeder zweite Betrieb die Krise nicht überlebt.» Tochter Angela ergänzt: «Auch wir hatten eigentlich für anderes gespart.» Momentan ist sie etwas im Clinch mit der Versicherung. «Zuerst wollten sie nicht zahlen, da wir gegen eine Epidemie, nicht aber gegen eine Pandemie versichert sind», sagt sie. Doch nun sehe es so aus, dass man sich finde.
Sie schaut nach vorne. Obwohl der grosse Ansturm nach dem Lockdown ausbleibt. Am Morgen kamen rund 50 Gäste, was normal ist. Am Mittag sind es dagegen nur elf Essen. Das sind fünfmal weniger als vor Corona. Entsprechend arbeiten zurzeit nur vier von acht Mitarbeitern. Chefkoch Toni Machado (36) – das Rössli hat 14 Gault-Millau-Punkte – kommt nicht ins Schwitzen. Er wird auch mit 30 Essen und mehr fertig.
Chefkoch: «Die zwei Monate waren saulangweilig»
Trotzdem sagt der Profi: «Es ist gut, dass wieder offen ist. Denn die letzten zwei Monate waren vor allem eines – saulangweilig!» Neben der Standard-Karte hat er heute drei Tagesmenüs im Angebot. Am besten laufen die Eglifilets im Bierteig mit Tartarsauce und Kartoffeln für 20.80 Franken inklusive Suppe oder Salat.
Das Menü kommt gut an. Die Gäste Renato Kümin (34) und Remigi Waser (42) urteilen: «Sehr fein!» Beide haben aktuell Homeoffice und sind es leid, selbst zu kochen. «Angst haben wir keine», so Waser. «Zudem fühle ich mich verpflichtet, die Gastronomen zu unterstützen.» Auch am Nachmittag kommen immer wieder Leute zum Kafi und Plausch.
Am Abend zieht Shila Christen ein Fazit: «Ich erwartete, dass gar nichts los sein würde.» Doch bis auf die wenigen Mittagessen sei das Geschäft besser gelaufen als gedacht. Von Bundesbern erwartet sie weitere Lockerungen. Die Geschäftsfrau hat einen grossen Wunsch: «Dass die Krise bald vorbei ist und die Leute keine Angst mehr haben.»