Schon 94 Schafe gerissen
Schutzhunde schrecken Wölfe nicht ab

In Graubünden gibt es diesen Sommer viele Angriffe auf Schafherden – obwohl Schutzhunde wachen. Das sorgt bei Hirten und Bauern für Unmut.
Publiziert: 12.07.2020 um 00:50 Uhr
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Die Anzahl Wölfe in der Schweiz hat stark zugenommen.
Foto: Peter A. Dettling
Camilla Alabor

Hirtin Luana Hartmann (21) war gerade mal zwei Tage auf der Alp. Da kam ihr Mit­älpler ganz verstört in die Hütte. «Er sagte: ‹Luana, wir hatten einen Schafriss›», erinnert sich die Bündnerin. In der Nacht war der Wolf gekommen und hatte sieben Schafe getötet. Ein Schock sei das gewesen, sagt Hartmann, die sich auf der Bündner Alp Tomül um die Viehherde kümmert. «Wir waren wie am Boden zerstört.»

Der Angriff sollte nicht der letzte bleiben. In weniger als zwei Wochen schnappten sich Wölfe ins­gesamt 21 ihrer Schafe. Und dies, obwohl Schutzhunde die Herde ­bewachten. Seither schützt sie in der Nacht zusätzlich ein Elektro­zaun.

Das funktioniert, wie Luana Hartmann erzählt. Es sei aber ein beachtlicher Aufwand, die Tiere allabendlich aus entlegenen Weiden in das Gehege zu treiben. «Unverhältnismässig und an sich auch unsinnig», findet sie den Aufwand. ­Zumal Schafe auf die Alp gehörten.

Auch Kühe werden unruhig

Hinzu komme, dass die Nähe der Wölfe auch bei den Kühen für Un­ruhe sorgt. «Was passiert, wenn eine Herde Mutterkühe – vom Wolf gestört oder gar gejagt – auch Menschen plötzlich als Gefahr sieht?», fragt Hartmann rhetorisch. Für sie ist klar: «Für so viele Wölfe haben wir hier keinen Platz. Es braucht eine geordnete Regulierung.»

Tatsächlich hat der Wolfsbestand von einem Dutzend (2009) auf ­aktuell rund 80 Wölfe zugenommen. Und während die meisten davon weiterhin Jagd auf Hirsche oder Rehe machen, haben einige die Schafherden als bequeme Nahrungsquelle entdeckt. Selbst wenn die Tiere durch Zäune, Hirten oder Hunde geschützt werden.

Besonders akut ist das Problem ­in Graubünden. Laut Zahlen des Amts für Jagd und Fischerei gab es letztes Jahr insgesamt 127 Schafrisse durch Wölfe, davon lediglich 25 in geschützten Herden. Dieses Jahr wurden bisher bereits 94 Schafe ­gerissen, davon 59 in geschützten Herden.

Hohe Kosten und viel Arbeit

Warum kommt es zu diesen Angriffen? «In Realität gibt es immer ein paar Schafe, die etwas abseits der Herde sind», antwortet Duri Campell (57), Vizepräsident des Bündner Bauernverbandes. Ihm bereiten nicht nur die zunehmenden Schafrisse Sorge, sondern auch die hohen Kosten und die viele Arbeit, die das Aufstellen der Schutzzäune für die Bauern mit sich bringt. «Wir werden mit dem Problem alleine gelassen», so Campell.

Seiner Meinung nach müsse es möglich sein, «jene Problemtiere abzuschiessen, die sich auf Schafe spezialisiert haben.» Er ist ein klarer Befürworter des neuen Jagd­gesetzes.

Ganz im Gegensatz zu Sara Wehrli von der Naturschutzorga­nisation Pro Natura. Sie sieht in erster Linie die ­Besitzer in der Verantwortung. «Wenn es zu Schafrissen kommt, zeigt sich im Nachhinein oft, dass die Schutzmass­nahmen nicht eingehalten wurden», sagt Wehrli. Sie stellt nicht in Ab­rede, dass einzelne Wölfe gelernt haben, die Mass­nahmen zu umgehen. Doch der ­Abschuss von Problemtieren sei schon heute möglich.

Andere Todesursachen kommen hinzu

Komme hinzu, dass den etwa 400 gerissenen Schafen pro Jahr etwa 4200 Tiere gegenüberstehen, die auf der Alp sterben, weil sie sich in Zäune verwickelten oder über eine Klippe stürzten.

Wehrli ist der Meinung, der Herdenschutz funktioniere insgesamt gut: «Die Anzahl pro Wolf geht zurück.» Auch die wachsende Wolfs­population sieht sie in einem ganz anderen Licht als die Bauern. «Der Wolf ist eine einheimische Tierart», sagt Wehrli. «Und er hat ein Existenzrecht in der Schweiz.»

Abstimmung übers Jagdgesetz

Am 27. September kommt das Jagdgesetz zur Abstimmung: Naturschutzverbände haben das Referendum dagegen ergriffen. Gemäss dem Entwurf dürfen Kantone einen Wolf auch präventiv abschiessen: etwa, wenn das Tier in Siedlungen auftaucht oder gelernt hat, den Herdenschutz zu umgehen. Naturschutzverbände sprechen deshalb von einem «Abschussgesetz», während die Befürworter darauf hinweisen, dass durch den wachsenden Wolfsbestand in der Schweiz eine stärkere Regulierung nötig werde.

Am 27. September kommt das Jagdgesetz zur Abstimmung: Naturschutzverbände haben das Referendum dagegen ergriffen. Gemäss dem Entwurf dürfen Kantone einen Wolf auch präventiv abschiessen: etwa, wenn das Tier in Siedlungen auftaucht oder gelernt hat, den Herdenschutz zu umgehen. Naturschutzverbände sprechen deshalb von einem «Abschussgesetz», während die Befürworter darauf hinweisen, dass durch den wachsenden Wolfsbestand in der Schweiz eine stärkere Regulierung nötig werde.

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