Deutschland gut, Italien schlecht. Das wissen schon die Kinder der Flüchtlingsfamilien, die im Grossraum Mailand gestrandet sind.
Sind die Migranten erst einmal im Land, überlässt Italien sie weitgehend sich selbst. Die meisten wollen nur eines: nach Nordeuropa, weil sie sich dort bessere Lebensbedingungen erhoffen.
Dazu gehen immer mehr von ihnen auf eine lebensgefährliche Reise. Denn in den Flüchtlingscamps von Norditalien hat sich eine neue Route herumgesprochen. Schleuser ermutigen Migranten, die Alpen als blinde Passagiere auf Güterzügen zu durchqueren. Vielen gelang dies bis vor kurzem via Österreich.
Meist stammen die Flüchtlinge aus Afrika
Doch seit Wien die Grenzen stärker kontrolliert, weichen immer mehr Flüchtlinge auf Bahnlinien durch die Schweiz aus. Gemäss der deutschen Bundespolizei griffen Fahnder in Baden-Württemberg in diesem Jahr bereits 254 Migranten auf, die illegal auf Güterzügen durch die Schweiz eingereist waren. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2016 wurden 52 solcher Einreisen festgestellt, 2017 gerade mal 23.
Ein Grossteil der Flüchtlinge hatte die Route von Mailand oder Novara über Bellinzona und den Gotthard-Tunnel nach Südbaden gewählt. Meist stammen die blinden Passagiere aus afrikanischen Ländern, rund die Hälfte der festgestellten Personen in den letzten Monaten waren Nigerianer.
Insgesamt erwischte die deutsche Polizei dieses Jahr 2300 Flüchtlinge beim Überqueren der deutsch-schweizerischen Grenze. Das sind ungefähr gleich viele wie im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres.
Mehrere Todesfälle
Die neue Fluchtvariante macht den Behörden Sorgen. Sie spricht sich unter den Migranten zunehmend herum, obwohl es lebensgefährlich ist, auf Güterzügen mitzureisen. In einem internen Bericht der deutschen Bundespolizei schildert ein Asylsuchender, wie er in einem italienischen Flüchtlingslager den Tipp zur Reise mit dem Güterzug erhielt. Zuvor hatte er erfolglos versucht, nach Deutschland zu gelangen.
Wie gefährlich die illegale Fahrt auf den Güterzügen ist, zeigen mehrere Todesfälle in Österreich und Deutschland. Dort wurden Flüchtlinge vom Zug erfasst oder starben wegen Stromschlägen von den Fahrleitungen. Auch in der Schweiz gab es bereits Schwerverletzte. Die Behörden haben ihre Kontrollen deshalb massiv verstärkt.