Der flexible Altersrücktritt (FAR), so der Fachbegriff, ist eine Pioniertat von Baumeistern und Gewerkschaften. Und sie ist sehr populär: Mehr als 13'000 Bauarbeiter gingen seit 2003 mit 60 Jahren in Pension.
Doch für Bauarbeiter, die heute an der Pensionsgrenze stehen, wird es knapp. Dem FAR-Fonds geht das Geld aus. Anfang Jahr lag sein Deckungsgrad bei 113 Prozent, Ende Juni noch bei 105 Prozent. 2016 wird er unter 100 Prozent fallen.
Grund: Die Babyboomer kommen ins Pensionsalter. Um die Renten der geburtenstarken Jahrgänge zu finanzieren, braucht es zusätzliche Mittel.
Die Firma Pittet Associates, die im Auftrag der Sozialpartner die FAR-Finanzen überwacht, zog schon vor drei Jahren an der Alarmglocke. Die Finanzierung mit vier Lohnprozenten reiche nicht, um die Leistungen zu sichern, schrieb sie in einer Studie. Vor zwei Jahren schlug sie eine Erhöhung der Beiträge auf Anfang 2014 vor. Doch geschehen ist nichts.
Jetzt platzt den Gewerkschaften der Kragen: «Die Baumeister verweigern jegliche Lösung für das dringende Problem», sagt Nico Lutz, Sektorleiter Bau bei der Gewerkschaft Unia. «Sie wollen das Rentenalter erhöhen oder die Renten massiv kürzen.»
Heute erhält ein Bauarbeiter beim FAR 65 Prozent des Grundlohnes plus 500 Franken. Für einen Maurer ergibt dies rund 4400 Franken monatlich.
Ohne Zusatzfinanzierung droht Neurentnern ein Abzug von 800 Franken. Oder ein höheres Pensionsalter. Beides lehnt die Unia ab: «Wir werden weder eine Erhöhung des Rentenalters noch einen Rentenklau akzeptieren», sagt Lutz.
Stattdessen fordert er zusätzlich 1,5 bis 2,0 Lohnprozente für die nächsten zehn Jahre. Danach geht die Zahl der Pensionierungen wieder zurück. «Die Massnahme ist begrenzt», betont Lutz.
Die Baumeister halten sich bedeckt. «Die Finanzierung ist eine technische Frage», sagt Martin A. Senn, Leiter Politik beim Schweizerischen Baumeisterverband (SBV). «Wir werden dafür eine Lösung finden.» Der FAR habe sich bewährt und solle weitergeführt werden. «Die Pensionierung ab 60 soll auch in Zukunft möglich sein», sagt Senn. Mit Rentenkürzungen oder höheren Beiträgen? Kein Kommentar, so Senn.
Die Unia will sich nicht länger vertrösten lassen. Lutz kündigt Kampfmassnahmen an, sollten die Baumeister nicht Hand zu einer Lösung bieten: «Das Thema ist hoch emotional. Der Altersrücktritt mit 60 ist heilig in der Baubranche. Wenn die Baumeister eine Lösung verweigern, gibt es einen heissen Herbst und Streiks im nächsten Jahr.»
Die Vorbereitungen laufen bereits. Schon seit August befragt die Unia die Bauarbeiter, ob sie zu Streiks bereit wären. Diese Woche sind weitere Unterschriftensammlungen und Protestpausen geplant. Heute geht es los auf den Baustellen Eppenberg- und Belchentunnel.