Willst du mit mir ein Abenteuer erleben?» Stéphanie Krieger (26) lockt Christa Rigozzi (31) auf die Bühne. Das Publikum in der Sendung «Die grössten Schweizer Talente» tobt.
«Ich han chli Angscht», sagt die sympathische Tessinerin. Krieger redet auf sie ein. Sekunden später verdreht Rigozzi die Augen, kippt wie ein Brett in die Arme von Sven Epiney und DJ Bobo.
Die Westschweizer Hypnotiseurin lässt die Ex-Miss die «kataleptische Brücke» machen. Dann zählt sie «drei, zwei, eins» zurück und schnippt mit den Fingern. Rigozzi ist wieder da. Leicht verwirrt. Macht sich erst einmal Sorgen, ob ihr Rock verrutscht ist.
Die Jurorin hatte sichtlich wenig Freude an diesem Show-Act: «Es ging alles viel zu schnell.» Das Gefühl, während einer TV-Show kurz in Trance zu sein, sei speziell. «Ich bin ein Kontrollfreak und will die Kontrolle haben.» Hypnose, sagt sie, möchte sie nie mehr erleben.
War die sonst so wache Rigozzi völlig weggetreten? Wäre es möglich gewesen, sie Dinge machen zu lassen, an die sie im Wachzustand nicht einmal denken würde?
Der erfahrene Hypnose-Therapeut und Ausbildner Hansruedi Wipf (49) winkt ab: «Bei der Show-Hypnose kann der Eindruck entstehen, die Leute seien dem Hypnotiseur willenlos unterworfen.» Wipf weiss: «Jeder Hypnotisierte kann ganz normal denken.» Früher stand er selbst als Hypnotiseur auf der Bühne. «Christa Rigozzi war niemandem hilflos ausgeliefert», betont er.
Die SonntagsBlick-Reporterin wagte den Selbstversuch bei einem Arbeitskollegen Wipfs. «Sie sind sehr empfänglich», meinte der Hypnose- Therapeut danach. Ob er mich in Trance versetzt hatte – ich könnte es nicht sagen. Ich fühlte mich die ganze Zeit über sehr entspannt, war aber sicher, voll da zu sein.
Was ist Show, was Wirklichkeit?
Bertrand Piccard (56), der charismatische Abenteurer und Psychiater, wendet Hypnose in seiner Praxis an. Im «Tages-Anzeiger» stand, Vertraute unterstellten dem Solarpionier, er brauche das Gefühl von Dominanz und vermöge Leute unbemerkt zu hypnotisieren.
«Das ist lächerlich», sagt Piccard. «Man kann nur Menschen hypnotisieren, die es möchten. Ich mache das nur mit Patienten, die dies auch ausdrücklich wünschen.» Zudem müsse, so Piccard, zwischen Hypnotiseuren auf der Bühne und Hypnose-Therapeuten im medizinischen Bereich streng unterschieden werden.
Während ein Show-Hypnotiseur seine Mitspieler auf der Bühne manipuliere, bestimmten seine Patienten das Ziel selbst. Piccard: «Die Leute sagen mir, was sie erreichen wollen. Zum Beispiel eine Angststörung loswerden. Und ich versuche, sie dahin zu führen.»
Rudolf Corchia (55), Vorstandsmitglied und Präsident des Hypnose-Dachverbands: «Es gibt auf der Bühne Leute, welche die Verantwortung für ihr sonderbares Verhalten auf den Hypnotiseur schieben.»
Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Hypnose Gehirnströme verändert. «Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Vorstellung», sagt Corchia. Und genau das könne man in der Medizin nutzen.
Ängste beispielsweise veränderten ganze Hirnareale. Um diese wieder «zurechtzubiegen», werden bei der psychologischen Hypnose synaptische Verbindungen neu verknüpft, erklärt der Fachmann.
Wipf stimmt zu: «Viele Phobien können in wenigen Sitzungen behoben werden, dank Hypnose kann man oft auf teure Medikamente und lange Therapien verzichten.» Die Werbung in eigener Sache ist unüberhörbar. Tatsache ist: Immer mehr Spitzensportler lassen sich hypnotisieren. Wipf: «Dadurch können sie ihre mentale Stabilität steigern.»
Hypnose wird auch in der Schmerztherapie eingesetzt. Durch sie brauchen Patienten weniger Schmerzmittel. Hypnose, da sind sich die Mediziner einig, wirkt sich positiv auf den Patienten aus – und auf die Kosten im Gesundheitswesen.
Warum aber wird ihr Potenzial nicht häufiger genutzt? Corchia: «Ich kann mir vorstellen, dass Interessengemeinschaften wie die Pharma- Lobby Druck auf den Gesundheitsbereich ausüben.» Auch Wipf ortet Kritiker der medizinischen Trance in der potenten Lobby der Medikamentenhersteller. «Wir haben nicht nur Freunde.»
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Branche der Hypnose-Therapeuten schlecht organisiert ist. Für Konsumenten ist schwer einzuschätzen, welcher Therapeut seriös arbeitet und welcher nicht.
Dazu Wipf: Showauftritte wie der von Christa Rigozzi seien für das Renommee der Hypnose-Therapie wenig förderlich. Die Gefahr bestehe, dass die Methode trotz ihrer Vorteile in die unseriöse Unterhaltungsecke gestellt werde.
«Der Dachverband distanziert sich von dieser Art der Präsentation.» Die Blitzhypnose, die Krieger an Rigozzi vorgeführt habe, sei übrigens sehr einfach. «Das gehört zum normalen Werkzeug», sagt Wipf.
Die Juroren der «Grössten Schweizer Talente» sahen das nicht so kritisch. Die Hypnotiseurin ist eine Runde weiter. Sie hatte auch die Stimme von Rigozzi.