Felix B.* (†57) hatte es eilig, als er am 22. Juli im Toggenburg die Churfirsten bestieg. Sein Ziel war ehrgeizig – er wollte in einem Tag sowohl den Selun (2204,8 m ü.M.), Frümsel (2267 m ü.M.), Brisi (2279 m ü.M.), Zuestoll (2235 m ü.M.), Schibenstoll (2236 m ü.M.), Hinterrugg (2306 m ü.M.) und den Chäserrugg (2262 m ü.M.) durchwandern. Trailrunning heisst diese Art des Hochleistungswanderns. Es ist mehr Rennen als Spazieren.
Populär gemacht hat diesen Sport unter anderem Ueli Steck (†40), der im April im Himalaya tödlich verunglückt ist. Steck nutzte Trailrunning als Training für seine Highspeed-Bergbesteigungen. Zum Beispiel den Eiger Ultra Trail (101 Kilometer, 6700 Meter Höhendifferenz), an dem auch Felix B. zwei Wochen vor seinem Tod teilgenommen hatte.
Mehr Kilometer in kürzerer Zeit
Sein ehrgeiziges Wander-Ziel in den Churfirsten hat Felix B. nicht erreicht. Kurz vor dem Ziel ist er abgestürzt und erlitt so schwere Verletzungen, dass er im Kantonsspital St. Gallen verstorben ist. Häufig wanderte B. mit Mitgliedern des Churer Vereins Alpinrunning mit. Gründer Marco Jäger erklärt: «Trailrunning ist strenges Fitness bei atemberaubender Kulisse.»
Der Tod von Felix B. schockt ihn noch immer: «Er war erfahren und in seiner Alterskategorie ein sehr erfolgreicher Trailrunner», sagt Jäger. Er habe einige Läufe mit B. absolviert und war erstaunt über dessen Ausdauer. Er hat eine Vermutung, warum B. zu Tode gekommen ist: «Er ist an einer Stelle abseits der ausgesteckten Wanderroute abgestürzt, dort, wo man teilweise gar klettern muss», sagt Jäger zu BLICK. Wahrscheinlich wollte er eine Abkürzung nehmen.
Hat sich Felix B. überschätzt?
Mit Trailrunning habe dies nicht mehr viel zu tun. «Wir rennen hauptsächlich auf abgesteckten Routen und verlassen diese nur, wenn wir uns sicher sind», sagt Jäger. Wahrscheinlich habe B. sein Ziel zu sehr vor Augen gehabt und sich dabei selbst überschätzt.
Peter Diener, Chef der SAC Rettungsstation Wildhaus/Amden, kennt die Trailrunner in seinem Gebiet. «Es gibt sowohl bei Wanderern als auch Trailrunnern Extremisten», sagt er.
Ein Problem sei, dass sich Berggänger heute viel schlechter vorbereiten würden als früher. «Was ich da manchmal zu sehen bekomme, ist unglaublich», sagt Diener. Wanderer mit schlechtem Schuhwerk, ohne Kenntnisse des Wetters oder der Gefahren, die in den Bergen lauern. «Viele vergessen, dass sie sich in der Wildnis befinden und Respekt vor der Natur und deren Gefahren haben müssen», so Diener.
Berggänger immer schlechter vorbereitet
Dabei gäbe es heute Tausende technischer Möglichkeiten, sich auf eine Bergwanderung vorzubereiten. «Und trotzdem beobachte ich, wie Wanderer trotz Gewitterwarnung ohne Regenschutz hoch zum Säntis laufen möchten – oder im Frühling bei tauendem Schnee nicht merken, dass sie Gefahr laufen, unter Schneebrettern begraben zu werden.»
Die Zahlen bestätigen dies. Laut Beratungsstelle für Unfallverhütung sterben jährlich in der Schweiz durchschnittlich 80 Berggänger. Häufigste Ursache ist mit 80 Prozent aller Unfälle der Absturz, ausgehend von einem Stolperer oder einem Schwächeanfall. Und gemäss Suva stiegen diese Zahlen in den letzten Jahren kontinuierlich an. «Das bedeutet jedoch nicht, dass das Unfallrisiko beim Wandern gestiegen ist, sondern dass mehr Personen wandern gehen – und die Unfallzahlen deshalb zunehmen», sagt Barbara Senn, Mediensprecherin der Suva.
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