Seine Sammlung hat Gurlitt dem Kunstmuseum Bern vermacht. Allerdings wird das Erbe noch von einer Cousine angefochten.
Seit mehr als eineinhalb Jahren versucht nun eine international besetzte Taskforce, die Geschichte des wertvollen Gurlitt-Kunstschatzes zu klären. Genau 1497 Werke müssen dafür Stück für Stück unter die Lupe genommen werden.
«Wir sind auf einem guten Weg und arbeiten bis zum letzten Tag mit Hochdruck», sagt Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Das Gremium habe aus dem Münchner Fund inzwischen 510 Werke geklärt. Bei 507 davon könne ein NS-verfolgungsbedingter Entzug, wie es im Amtsdeutsch heisst, ausgeschlossen werden.
«Die Recherchen gehen indes weit», sagt Berggreen-Merkel. «Aber bei so einem grossen Bestand muss man leider davon ausgehen, dass es auch eine ganze Reihe von Werken geben wird, deren Schicksal sich selbst bei gründlichster Recherche nicht klären lässt.»
Zur Erinnerung: Der im Mai 2014 gestorbene Eigenbrötler Cornelius Gurlitt hatte in seiner Münchner Wohnung jahrzehntelang mehr als 1250 teils hochkarätige Kunstwerke gehortet. Später wurden in seinem verwahrlosten Haus in Salzburg nochmals fast 250 Arbeiten gefunden, darunter Gemälde von Picasso, Renoir und Monet.
Die Sammlung stammte von seinem Vater Hildebrand Gurlitt, der trotz seiner teils jüdischen Abstammung einer der wichtigsten Kunsthändler der Nazis war - und nebenher eine private Sammlung aufbaute.
Nur in vier Fällen hat die Taskforce inzwischen eindeutig nachweisen können, dass die Nationalsozialisten die Werke einst den jüdischen Eigentümern geraubt oder abgepresst haben. Dazu gehören Max Liebermanns «Zwei Reiter am Strand» und die «Sitzende Frau» von Henri Matisse. Beide Werke wurden inzwischen an die Erben zurückerstattet.
Zu jedem der 499 zweifelhaften Objekte aus dem Schwabinger Fund werde bis Ende Oktober ein Basisforschungsbericht vorliegen, sagt Berggreen-Merkel. «Wir haben alles zusammengetragen, was wir in Archiven, Datenbanken, Katalogen und anderen Dokumenten weltweit gefunden haben», sagt sie. «Nur: Wo wir nicht weiterkommen oder wo es keine historischen Quellen gibt, da gibt es auch kein Ergebnis.»
Immer wieder stiess die 15-köpfige Taskforce mit Experten etwa aus Frankreich, Israel und den USA auf unerwartete Probleme. So fanden sich zu zahlreichen Werken bisher überhaupt keine Spuren.
In anderen Fällen erhoben mehrere Menschen Anspruch auf ein und dasselbe Bild. Und wieder andere hatten keine genaueren Angaben zu dem Erbstück, das sie in ihrer Familie vermissen - viele Unterlagen gingen durch Flucht oder Deportation verloren.
Eine einfache Suche im Internet macht deutlich, dass es dann oft genug um die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen geht. Hinzu kommt, dass ein Grossteil der Werke keine Gemälde sind, sondern serielle Arbeiten auf Papier. So kann etwa eine Familie einst den dritten Druck aus einer 20er Auflage besessen haben (3/20), die andere den siebenten (7/20), ohne dass dies auf den Werken vermerkt wäre.
Die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat angekündigt, ein Folgeprojekt zur Taskforce beim neu gegründeten Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg zu initiieren. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Zudem will sie die unter Raubkunstverdacht stehenden Bilder Ende 2016 in der Bundeskunsthalle in Bonn ausstellen.
Das weitere Schicksal der Sammlung hängt aber vor allem davon ab, wie der laufende Erbstreit ausgeht. Bekommt das Kunstmuseum Bern - wie von Gurlitt verfügt - das heikle Erbe? Oder setzt sich Gurlitts Cousine Uta Werner mit ihrem Anspruch für die Familie durch?
Das Oberlandesgericht München lässt derzeit in einem psychiatrischen Gutachten Gurlitts Testierfähigkeit klären. Gut möglich, dass ein Urteil erst nächstes Jahr fällt. Beide Seiten haben zugesagt, NS-Raubkunst weiter an die Erben der Opfer zurückzuerstatten. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Forschung wirklich weitergeht.
Das Kunstmuseum Bern will sich wegen der laufenden juristischen Abklärungen vor dem Oberlandesgericht München zur Zeit nicht zur Taskforce äussern, wie Direktor Matthias Frehner am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte.