Sie nennen sich Bob Tyler, Brendan Duncan oder John Odlin. Sie sind charmant, gut aussehend, aber immer irgendwann knapp bei Kasse. Und sie arbeiten mit einer fiesen Masche: Romance Scam, dem Liebesbetrug.
Während der adrette Heiratsschwindler früher noch an der Haustür klingelte, sind es heute ausländische Verbrecherbanden, die mit erfundenen Identitäten auf Datingplattformen, Facebook oder per E-Mail auf die Jagd gehen. Und sich online in die Herzen von Schweizerinnen und Schweizern schwindeln, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Wie SonntagsBlick recherchierte, nimmt Romance Scam in bedenklichem Ausmass zu. Auf Anfrage gaben die drei bevölkerungsreichsten Kantone der Deutschschweiz Einblick in ihre Statistik: In Zürich und Aargau hat sich die Zahl der Anzeigen allein im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt – von mehreren Dutzend auf 100 Fälle in Zürich, von 13 auf über 30 im Aargau. Im Kanton Bern meldeten sich mit 60 Betroffenen 2018 genau doppelt so viele wie 2017.
Aus Scham geht man nicht zur Polizei
«Die Dunkelziffer ist sicher um ein Vielfaches höher. Die Betrogenen gehen aus Scham oft nicht zur Polizei», sagt Rebecca Tilen, Sprecherin der Kantonspolizei Zürich. Mittlerweile beläuft sich die Deliktsumme in Zürich und Bern auf mehrere Millionen Franken – und das pro Kanton.
Das ist kein Wunder: «Auch viele Senioren sind heute per E-Mail und in den sozialen Netzwerken erreichbar», sagt Roland Pfister, Sprecher der Kantonspolizei Aargau. Nicht alle jedoch seien sich der Gefahren im Netz bewusst.
Hinzu kommt: In den letzten 50 Jahren stieg die Zahl der Scheidungen auf mehr als das Doppelte, zu den Betroffenen gehören viele Ältere. «Die Vereinsamung nimmt deshalb wahrscheinlich zu, reale Kontakte werden weniger», sagt Polizeisprecherin Tilen. Opfer seien denn auch eher Frauen über 50, «die eine Enttäuschung hinter sich haben und sich einsam fühlen.»
Mit netten Mails fängt alles an
Das Vorgehen der Betrüger ist perfide. Oft fängt es mit einem E-Mail oder einer Freundschaftsanfrage auf Facebook an. Eine Bande aus Afrika oder den osteuropäischen Staaten versendet diese Köder-Botschaften unter dem Profil eines im Irak stationierten US-Soldaten, dem langweilig ist. Der Kontakt wird intensiver, man wechselt auf Whatsapp, tauscht mit der Zeit auch Nettigkeiten, oft sogar erotische Posts aus.
Dann fragt der Mann der Träume eines Tages nach Geld, ein bisschen nur, vielleicht, weil sein Konto gesperrt wurde. Die erste Lüge, es folgen weitere. Am Ende ist das Opfer bis zu 400'000 Franken los – so wie letztes Jahr eine 59-Jährige aus dem Kanton Zug. Rebecca Tilen rät: «Zahlen Sie niemals Geld an Menschen, die sie nicht aus dem realen Leben kennen.»