Rita (56) und Paul Gwerder (61) geniessen den Ausblick von ihrer Terrasse in Brunnen SZ. Pauls Mutter hat sich hier in jahrelanger Arbeit den Traum vom eigenen Holzchalet erfüllt. Als es fertig war, starb sie. An Nierenversagen.
«Ohne meine Frau wäre auch ich nicht mehr da», sagt Paul Gwerder. Bedächtig nippt er an seinem Glas Wasser: «Ich möchte bei jedem Schluck laut losjubeln.»
Früher hätte er das Glas geleert, ohne nachzudenken. Früher, das war vor 20 Jahren, bevor die Beschwerden einsetzten: «Die Schmerzen waren höllisch. Als ob man mich an Armen und Beinen festhält und in alle Richtungen zieht!» Tests zeigten: Der Bäcker litt an polyzystischer Nierenerkrankung. Die Organe, die der Blutreinigung dienen, wurden ständig grösser. Rita Gwerder: «Die Diagnose traf uns schwer. Wir wussten nicht, wie damit umgehen.»
Ihr Mann breitet Fotos auf dem Gartentisch aus. Seine Nieren wogen je 3,5 Kilo, waren fünfmal grösser als normal: «Ich konnte kaum essen.» Dann lacht er schallend: «Und hatte trotzdem eine ziemliche Pauke.»
«Einmal fand ich ihn fast leblos im Bett»
Die Zeit nach der Diagnose war grauenvoll. Zysten platzen, Blutvergiftungen folgen. «Einmal fand ich ihn fast leblos im Bett. Ich dachte, er sei tot», sagt Rita. Paul beginnt mit der Dialyse, hängt täglich stundenlang an Geräten, kann sich nicht bewegen, nicht essen, nicht pinkeln.
Seine Augen folgen jetzt einem Schiff auf dem Vierwaldstättersee. Die Hand hat er ruhig in ihre gelegt: «Die Krankheit hat uns nach über dreissig Ehejahren noch näher zusammengebracht», sagt sie.
Und verschweigt, dass der grösste Liebesbeweis von ihr kam: Als die Krankheit im September 2006 lebensbedrohend wird, lässt sie sich tagelang testen. Und tatsächlich: ihre Blutgruppen passen – sie kann ihm eine ihrer Nieren spenden!
«Viele Freunde haben mir abgeraten. Die Operation und das Leben danach seien viel zu gefährlich!» Sie schüttelt den Kopf: «Das wusste ich natürlich. Aber ich konnte meinen Mann doch nicht einfach wegsterben lassen.»
Kein Wort dazu, dass sie ihr eigenes Leben aufs Spiel setzte. Besonders schwer fiel ihr, den drei erwachsenen Kindern von der Transplantation zu erzählen, aber: «Sie waren am Ende dafür. Das gab mir den Mut.»
1200 Patienten warten auf Niere
Paul Gwerder durfte seine Kinder älter werden sehen, abendelang Saxofon spielen, mit seiner Frau die Schweiz bereisen. Er schaut sie an: «Ich weiss, dass ich ohne dich von all dem nichts erlebt hätte.»
Laut Stiftung Swisstransplant starben im letzten Jahr 61 Menschen, weil kein passendes Spenderorgan gefunden wurde. Knapp 1200 warten heute auf eine Niere.
Dank Rita blieb Paul die Warteliste erspart. Sie sagt: «Ich habe es aus Liebe getan. Er muss mir nicht sagen, dass er dankbar ist. Das spüre ich jeden Tag.»
Ganz lassen konnte Paul es aber doch nicht. Am 9. März 2007, als sie nebeneinander im Operationssaal lagen und die Ärzte gerade zur Narkose ansetzen wollten, schaute er zu ihr hinüber und sagte: «Danke, Schatz!»