Riesenpleite von Schaffhauser Bauunternehmen – über 70 Arbeiter warten auf Lohn
Doch das Geld der Firma floss ins Puff

Mit der Leu Rüsi Bau AG ging die grösste Baufirma des Kantons Schaffhausen in Konkurs: Über 70 Mitarbeiter warten auf ihren Lohn. Recherchen zeigen: Viel Geld floss in Puffbesuche.
Publiziert: 27.03.2019 um 23:20 Uhr
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Aktualisiert: 28.03.2019 um 11:34 Uhr
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Marco Leu (37) hat die grösste Baufirma im Kanton Schaffhausen an die Wand gefahren. Im März wurde der Konkurs eröffnet.
Foto: Flavio Razzino/zVg
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Flavio Paolo RazzinoNachrichtenchef

Es ist einer der grössten Konkurse im Kanton Schaffhausen: Am 14. März haben 65 Mitarbeiter der Leu Rüsi Bau AG die Hiobsbotschaft bekommen: Ihre Firma ist zahlungsunfähig. Auch die Bilanz der Tochterfirma Gebert Leu Gartenbau GmbH mit 13 festangestellten Mitarbeitern wurde deponiert.

Der Konkurs kam für die Öffentlichkeit völlig überraschend: Die Baufirma gab es während über dreissig Jahren. Sie war unter Marco Leu (37), dem Sohn des Firmengründers, zuletzt enorm gewachsen.

Noch im Sommer 2018 war Leus Firma Hauptsponsor des Schaffhauser Open Airs «Stars in Town». Und ein Jahr zuvor gewann sie den Millionenauftrag zur Überbauung eines grossen städtischen Grundstücks – alles schien in bester Ordnung zu sein.

Lieferanten wollten endlich Geld sehen

Doch offenbar war bereits damals Feuer im Dach, wie Michael Schnyder (40), Polier der Leu Rüsi Bau AG, im April 2018 auf die harte Tour erfahren musste: «Ich sollte eine Lieferung bei einem Lieferanten abholen und wurde dort informiert, dass unsere Firma nichts mehr bekomme, solange nicht endlich die unbeglichenen Rechnungen bezahlt würden», erzählt er BLICK. Da habe ihn ein ungutes Gefühl beschlichen.

Wenig später, im Sommer 2018, haute auch Marco Leus Geschäftspartner Marc Gebert (41) auf den Tisch. Er war Miteigentümer der Gebert Leu Gartenbau GmbH. «Wir hatten eine wirklich exzellente Auftragslage – doch auch ich hatte wegen offener Rechnungen immer wieder Diskussionen mit Lieferanten», sagt er.

Leu habe ihm dann aber versichert, dass alles reibungslos laufe und er nicht so pessimistisch sein solle. «Trotzdem kam es mir vor, als spielte ich ein 90-Minuten-Fussballspiel, ohne je den Ball berühren zu können», sagt Gebert.

Leu selber sagt, er musste im September aus seinem Privatvermögen eine halbe Million Franken in seine Firma einschiessen, um «die kurzfristige Liquidität zu gewährleisten.»

Teure Autos auf Firmenkosten

Dann folgt der grosse Knall. Heute sitzt bei Mitarbeitern und Geschäftspartnern von Leu der Schock tief. Seit Januar warten Schnyder und Gebert – und mit ihnen rund 70 weitere Mitarbeiter – auf ihre Löhne.

Und die Wut bei den Betroffenen ist gross. Denn Leu habe bis zum Schluss die protzige Fassade gewahrt, während die Firma bereits tief in der Krise steckte. So habe der Chef auf Firmenkosten einen Porsche Cayenne, einen Volvo und einen teuren 7er-BMW gefahren. Leu sagt dazu zu BLICK: «Die Fahrzeuge wurden nacheinander geleast und dienten vorwiegend als Geschäftsfahrzeuge.»

Puffbesuche auf Firmenkosten in Thayngen

Kreditkartenabrechnungen der Firma zeugen von Luxusausgaben. Wie sie belegen, wurden mehrfache Besuche im Sado-Maso-Puff Leguan in Thayngen SH mit der Firmenkreditkarte bezahlt. Die zwei Karten der Firma lauteten auf Leu und einen Mitarbeiter. Dort wurden Dienste von bis zu 450 Franken pro Abend bezahlt.

Leu bestreitet aber, dass er selber das Puff jemals besucht habe – und schiebt die Schuld den Mitarbeitern zu. «Ich selbst habe den Club Leguan nie besucht. Zutreffend ist indes, dass es letztes Jahr Unregelmässigkeiten gegeben hat, die zur Trennung eines Mitarbeiters im September geführt haben», so Leu.

Als Erklärung, warum aber auch auf der Firmenkreditkarte, die auf seinen Namen lautet, Bezüge im Leguan verbucht sind, gibt Leu an, dass seine Kreditkarte offen im Büro gelegen sei. «Ich weiss nicht, wer sie genommen und damit im Leguan Bezüge getätigt hat», so Leu.

Sowieso – obwohl er Geschäftsführer der Baufirma gewesen sei, habe er mit den Finanzen nie viel zu tun gehabt. «Ich war mit Projektentwicklungen beschäftigt, für die Finanzen hatte ich Fachpersonen», so Leu.

Chaotisches Konkursverfahren

Und auch das Konkursverfahren verläuft bemerkenswert. Das Konkursamt Schaffhausen müht sich ab, eine Übersicht zu bekommen über Vermögen und Schulden der Firma. Lohnabrechnungen fehlen, Unterlagen sind auf mehreren stillgelegten Baustellen im Kanton verteilt.

Vergangenen Donnerstag wurde der Hauptsitz der Firma in Hemmental SH gar amtlich versiegelt. Dies, weil unklar ist, wer sich selbst während des Konkursverfahrens Zugang zu den Büros verschaffen kann. «Niemand weiss, wie viele Schlüssel im Umlauf sind», so Amtsleiter Benno Krüsi zu BLICK.

Nur: Das Konkursamt hat das amtliche Siegel am Donnerstagabend bereits wieder selber durchbrochen und es dann nicht erneuert, wie Krüsi bestätigt. «Wir mussten dort arbeiten und hatten kein neues Siegel zur Hand.»

Mitarbeiter bezeugen nun, dass Leu tags darauf alleine im Hauptsitz ein- und ausgegangen sei. Leu gibt das gegenüber BLICK sogar zu. Das Konkursamt weiss davon jedoch nichts, wie Amtsleiter Krüsi sagt. «Er hätte das nicht ohne unsere Erlaubnis tun dürfen.» Das Chaos scheint perfekt.

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