Reformierte Kirchen sind bekanntlich selten bis auf den letzten Platz besetzt. Beim Auftritt des Dalai Lamas im Grossmünster war aber sogar ein Public Viewing im Freien nötig, um allen Interessierten einen Blick auf das geistige Oberhaupt der Tibeter zu ermöglichen. Insgesamt kamen weit über tausend Zuschauer.
Zusammen mit einem Rabbiner, einem Imam, einer römisch-katholischen Seelsorgerin, einer hinduistischen Vertreterin und einer reformierten Pfarrerin führte er ein Friedensgebet durch. «Erinnern wir uns daran, dass in genau diesem Moment viele Menschen Schreckliches erleben, leider oft im Namen der Religion», sagte er.
Und dies obwohl doch alle Religionen die selben Werte wie Liebe und Toleranz hätten. «Ich schätze es deshalb sehr, dass dieser Anlass organisiert wurde», sagte er weiter. Sich zu treffen sei der beste Weg, gemeinsame Werte zum Ausdruck zu bringen.
Er forderte die Anwesenden auf, sich für den Frieden zu engagieren und die inneren Werte zu pflegen. «Nicht nur die Äusseren.» Die Pflege der inneren Werte und der innere Friede seien aber auch gut fürs Äussere, sagte der 81-Jährige kichernd.
«Schauen Sie mich an. In den letzten zwanzig Jahren habe ich mich kaum verändert, und das ohne Schönheits-OP.» Meditieren, den inneren Frieden finden und mit einem Lächeln auf die Menschen zugehen, fasste der Dalai Lama sein Rezept für jugendliches Aussehen zusammen.
Nach dem gemeinsamen Gottesdienst gingen die Religionsvertreter und die geladenen Gäste zum Mittagessen. Eine syrische Flüchtlingsfamilie kochte kurdische Spezialitäten, daneben gab es aber auch «Zürcher Geschnetzeltes».
In der Kirche waren neben Tibetern und erleuchtungssuchenden Schweizern auch zahlreiche Politiker. Der Kanton Zürich war vertreten durch Regierungsratspräsident Mario Fehr (SP), der während seiner Zeit als Nationalrat Präsident der Tibet-Gruppe war und den Dalai Lama deshalb nicht zum ersten Mal traf.
In der ersten Reihe sassen auch die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) und Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL). Die Stadtregierung wollte den Dalai Lama anfänglich nicht treffen, offiziell weil wegen der Herbstferien niemand verfügbar sei, überlegte es sich dann aber anders.
Der Stadtrat betonte Anfang Oktober, dass die verzögerte Zusage aber nichts mit dem Protest des chinesischen Generalkonsulats zu tun habe. Die Stadtregierung entscheide selber, wen sie treffe.
Das Friedensgebet war der Schlusspunkt des viertägigen Aufenthaltes des Dalai Lamas in der Schweiz. Nach einem zweitägigen Besuch in Bern, wo er unter anderem das Haus der Religionen besuchte, reiste er nach Zürich und sprach vor mehreren tausend Anhängern im Hallenstadion. Nach seinem Besuch in Zürich reist der Dalai Lama weiter in die Slowakei, nach Tschechien und nach Italien. (SDA)