Andrea Pfäffli (34) ist wütend auf die katholischen Bischöfe und Kardinäle. «Die kirchliche Basis macht gute Arbeit. Doch die Obrigkeit übernimmt keine Verantwortung», sagt die Geschäftsleiterin von Jungwacht Blauring (Jubla). «Die aktuellen Strukturen in der katholischen Kirche begünstigen Missbrauch und Vertuschung. Das können wir als Jugendorganisation nicht hinnehmen», sagt Pfäffli. Sie betont: «Eltern sollen wissen: In der Jubla ist ihr Kind gut aufgehoben. Unsere Mitglieder leisten vor Ort sinnvolle und hochwertige Arbeit. Deshalb fordert die Jubla Schweiz seit Jahren Veränderungen in der katholischen Kirche – doch nichts passiert.»
Mit einem offenen Brief an die Schweizer Bischofskonferenz will die Jubla Schweiz das katholische System wachrütteln. Denn knapp zwei Monate nach Bekanntwerden des Missbrauchskomplexes droht der kirchliche Reformmotor wieder einzuschlafen.
Historikerinnen der Uni Zürich hatten im September in einer Pilotstudie über tausend Missbrauchsfälle aufgedeckt und klargestellt: «Das ist nur die Spitze des Eisbergs.» Die Dunkelziffer ist gross, in den nächsten Jahren soll eine ausführliche Studie das tatsächliche Ausmass von Missbrauch und Vertuschung in der Kirche herausfinden.
«Würdenträger müssen zurücktreten»
Andrea Pfäffli lobt die historische Aufarbeitung der Uni Zürich – fordert aber weitere Massnahmen. «Sämtliche Missbrauchsfälle müssen gründlich und extern aufgebarbeitet werden. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.» Dabei meint sie nicht nur Missbrauchstäter, sondern auch deren Vorgesetze, die jahrelang vertuscht haben. «Würdenträger, die nachweislich an Machtmissbrauch und Vertuschung mitbeteiligt waren, müssen zurücktreten – oder vom Papst fristlos entlassen werden», sagt Andrea Pfäffli im Gespräch mit Blick.
Die Jubla-Frau reagiert enttäuscht über den Verlauf einer wochenlangen Reformkonferenz in Rom, die am Sonntag zu Ende gegangen ist. «Die Synode hat keine konkreten Ergebnisse hervorgebracht. Die Entwicklungen in der Schweiz werden gehemmt, weil Rom Forderungen verschleppt. Und die Schweizer Bischöfe verstecken sich hinter diesen trägen Prozessen», kritisiert Pfäffli. «Die Schweizer Bischöfe schöpfen ihren Spielraum zu wenig aus und kuschen vor Rom. Das ist inakzeptabel, ja gar scheinheilig.»
Frauen sollen Priesterinnen werden
Der offene Brief, der Blick exklusiv vorliegt, enthält verschiedene Forderungen seitens Jungwacht Blauring. Darunter:
- Eine bessere Präventionsarbeit. «Die Schutzkonzepte müssen besser und strenger werden. Jungwacht Blauring hat Expertise in diesem Feld. Wir bieten hier unsere Unterstützung an», sagt Andrea Pfäffli.
- Mehr Transparenz bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen: Die Kirche wurstelt der Jubla zu sehr im Verborgenen vor sich hin. Was innerkirchliche Sonderermittler genau machen, erfährt niemand.
- Gleichstellung der Geschlechter: Offiziell müssen katholische Priester im Zölibat leben. Sie müssen auf Sex und Familie verzichten und ihr Sexualleben im Verborgenen ausleben. So wird die katholische Kirche zu einer Risikozone. Die Jubla fordert: Weg mit dem Pflichtzölibat, her mit der Priesterweihe für Frauen! Nicht nur Kleriker sollen Leitungspersonen einnehmen können, sondern alle, die für Führungsaufgaben kompetent sind.
- Anerkennung von queeren Menschen: Die Jubla will mehr Diversität in der Kirche. Schon jetzt werden vereinzelt schwule und lesbische Paare gesegnet. Das reicht nicht, findet die Jubla. «Wir fordern die kirchliche Ehe für alle.»
Die Forderungen rütteln an Selbstverständlichkeiten der katholischen Kirche. Doch der Jubla Schweiz ist es ernst: «Die Mehrheit unserer Mitglieder hat kein Verständnis mehr für das rückständige System der katholischen Kirche. Wir brauchen dringend Reformen – und zwar jetzt!»