Auf Carobbio entfielen 154 von 172 gültigen Stimmen. Ihr Vorgänger, der Freiburger CVP-Nationalrat Dominique de Buman, kam vor einem Jahr auf 160 von 179 gültigen Stimmen. Den Rekord hält SVP-Politiker Hansjörg Walter (TG), der 2011 mit 185 Stimmen gewählt worden war.
Carobbio sagte in ihrer Antrittsrede, Vielfalt sei auch in der Politik eine Bereicherung. Deshalb müsse es Ziel sein, mehr Frauen in der Politik zu haben. Im Nationalrat liege der Frauenanteil bei lediglich 33 Prozent, im Ständerat gar bei nur 15 Prozent, kritisierte Carobbio.
Als Nationalratspräsidentin hoffe sie, dass sich mehr Frauen und junge Menschen für die Politik interessierten. Dazu passend umrahmte der Tessiner Frauenchor "Coralina di Gnosca" mit einer Gesangsdarbietung die Einsetzung der neuen Nationalratspräsidentin ins Amt.
Bei de Buman bedankte sich Carobbio ebenfalls. Dieser habe das Amt mit Leidenschaft und Engagement ausgeübt. Sie habe grossen Respekt vor der Aufgabe und werde sich nach bestem Wissen einbringen. Sie werde versuchen, den Menschen hierzulande zuzuhören und die Schweiz im Ausland würdig zu vertreten.
Was die Rolle der Minderheiten angehe, so werde sie sich darum bemühen, die Vielsprachigkeit in der Schweiz zu fördern, sagte Carobbio. Insbesondere will die höchste Schweizerin jenen eine Stimme geben, die sonst kaum zu Wort kommen und wahrgenommen werden. Deshalb wird sie die Sitzungen des Nationalrats auch auf italienisch leiten.
Weiter möchte sie das Bild ihres Heimatkantons Tessin besser nach aussen tragen. Der Südkanton müsse seine Beziehungen in die Bundesstadt und zu den anderen Kantonen verbessern.
Carobbio ist seit über elf Jahren Mitglied der Grossen Kammer. 2007 rutschte sie für Franco Cavalli in den Nationalrat nach. Vor sieben Jahren bewarb sie sich in ihrer Partei erfolglos um die Nachfolge von Micheline Calmy-Rey im Bundesrat. Auf dem Ticket landeten schliesslich Pierre-Yves Maillard und Alain Berset.
Marina Carobbio ist in einer Familie gross geworden, in der die Politik quasi zum Tagesgeschäft gehörte. Wer im Tessin "Carobbio" sagt, denkt immer noch zuerst an Werner Carobbio, an das Tessiner Urgestein und den früheren Präsidenten der autonomen Sozialisten (PSA).
Verheiratet mit einem Ingenieur, Mutter eines 22-jährigen Sohnes und einer 14-jährigen Tochter, ist sie bereits seit 2008 eine der Vizepräsidentinnen der SP Schweiz. Und obwohl sie seit 2007 im Nationalrat sitzt, hat sie sich daneben auch ein normales Berufsleben bewahrt.
Zusammen mit Bekannten teilt sie sich eine Arztpraxis in Roveredo in den Bündner Südtälern. Dort nimmt sie nun eine Auszeit bis Ende 2019, weil die Belastung mit dem Präsidialjahr in Bern sonst doch zu gross würde.
Carobbio ist die 24. SP-Politikerin und die achte Vertreterin des Kantons Tessin auf dem Stuhl des Nationalratspräsidenten. Die letzte Tessiner Vertreterin im Amt war Chiara Simoneschi-Cortesi 2008/2009.
Bis zum Beginn der Wintersession 2019 leitet Carobbio nun die Sitzungen der grossen Kammer, legt im Rahmen der Sessionsplanung die Tagesordnung des Rates fest, leitet das Ratsbüro und vertritt den Rat gegen aussen. Der Nationalratspräsident wird häufig als höchster Schweizer bezeichnet, besetzt jedoch in der vom Bundesrat festgelegten offiziellen protokollarischen Rangordnung nur den vierten Rang.
Zur ersten Vizepräsidentin wählte der Nationalrat Isabelle Moret. Die Waadtländer FDP-Vertreterin kam auf 162 von 180 Stimmen. Sie dürfte in einem Jahr Carobbio als Präsidentin ablösen. Als zweiter Vizepräsident amtet der Bündner SVP-Nationalrat Heinz Brand. Er erhielt 146 von 169 Stimmen. Die Vizes unterstützen den Ratspräsidenten und nehmen mit ihm Präsidiumsaufgaben wahr.
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